Tübinger Chronik

Die frühesten bekannten Veröffentlichungen Dolls sind zwei Gedichte, die zu seiner Studentenzeit in der „Tübinger Chronik“, der damaligen Tübinger Tageszeitung, erschienen.

Nr. 149, 1. August 1856
Wo tanzen wir morgen?
Nr. 243, 10. Dezember 1856
Der Deserteur

[Nr. 149, 1. August 1856 ]
[596]
[…]


Wo tanzen wir morgen?

Im Mühlengrunde wallen am Rosenhag
Drei Mägdlein roth von Wangen, wie lichter Tag,
Und wie der süße Dufthauch umzieht die Rosen,
So weht um sie nur Lachen und trautes Kosen.

Das Mühlrad geht wie träumend, ein heitʼrer Stern
Sieht auf die drei so heimlich und lauscht so gern.
„Auf welchem Plan drehʼn morgen wir uns im Tanze?
Und welche Blüthen wählen wir uns zum Kranze?”

„„Sind denn nicht unsre Buhlen viel frisches Blut?
Drum laßt bis morgen stehen der Rosen Gluth;
Mag uns der Sonntagsmorgen ins Fenster blicken,
Ihr Schwestern, sie zu brechen, dann laßt uns schicken.““

Sie gehen dem Rad vorüber im Sternenschein,
Aufnimmt sie traulich stille das Kämmerlein.
Bald wird der Schlaf den Mädchen zur süßen Labe;
Zur süßern doch in Träumen ein feiner Knabe.

Doch horch! was knistert leise? — sie schlummern froh. —
Ein Flämmlein ringt sich heimlich aus Frucht und Stroh,
Und nagt und frisst. Die Sterne, sie stehʼn und lauschen
Und drunten geht das Mühlrad mit dumpfem Rauschen.

Die Flamme züngelnd raschelt. — Sie schlummern gut.
Hier, dort ein Flämmchen hebt sich mit rother Gluth,
Hellauf, gleich Blitzen brechend des Rauches Hülle,
Und Glocken rufen kläglich durch Todtenstille.

Das wogt und leuchtet taghell. — Noch keins ist wach. —
Die Feuergarbe lachend erklimmtʼ das Dach
Und schlägt empor am Giebel mit prächtʼgen Lohen,
Der Eimer fliegt — sie spotten dem eiteln Drohen.

Rings hohles, banges Rufen, wie Sturmgebraus.
Ein Wrack im Meer, so schwimmt schon in Gluth das Haus.
Dumpfdonnernd stürzen Giebel und Wand zusammen
Und grimmer schlagen, glühender auf die Flammen.

Das Mühlrad ächzt und schwindet in Schutt und Gluth,
Kein Stern mehr scheint, der Himmel ist roth wie Blut.
Die Mauern wanken, stürzen mit Krachen nieder. —
Das Kämmerlein, kein Fuß mehr betritt es wieder.

Und wie die Sonne brachte den rosʼgen Tag,
Fand sie kein Dach, kein Mühlrad, kein Rosenhag,
Nur Asche, Gluth und Trümmer — o schönes gestern! —
Drei Schädel noch — wo tanzen wir morgen, Schwestern?

                                                            Doll.


[Nr. 243, 10. Dezember 1856]
[976]
[…]


Der Deserteur.

(Volkslied.)

Es ziehen die Soldaten
Früh Morgens wohl hinaus zum Thor;
Sie haben scharf geladen,
Die Trommel klingt davor.

Und wie sie sind am letzten,
Am aller-, allerletzten Haus,
Da schaut mit thränbenetzten
Aeuglein eine Maid heraus.

„Ade, dieweil Du scheidest!
Wir sehʼn, wir sehʼn uns nimmermehr;
Daß Du mich, Trauter, meidest,
Macht mir mein Herz so schwer.“

Wen kann das Kind wohl meinen?
Der junge Fähndrich ist so blaß;
Er sieht die Holde weinen,
Da wird das Augʼ ihm naß.

Ade, herzinniges Liebchen,
Leb wohl, leb wohl auf immerdar,
Mit deinen Wangengrübchen,
Mit deinem Lockenhaar!

Und seine Fahne schwenkt er
Und winkt hinauf zum Fenster traut,
Das blasse Haupt dann senkt er —
Die Trommel rasselt laut.

Die Maid, die hat getrauert
Den ganzen lieben langen Tag;
Den Fähndrich hat gedauert
Feinlieb in seiner Klagʼ.

Als Abends man verlesen,
Der Junker war nicht auf dem Platz.
Wo ist er wohl gewesen? —
Ich denkʼ, bei seinem Schatz.

Es kommen drei Soldaten
Dort aus dem allerletzten Haus:
Zwei haben scharf geladen,
Zum Thore gehtʼs hinaus.

Der Junker muß der Dritte
Mit seinen bleichen Wangen sein.
Er geht mit sichʼrem Schritte,
Schaut doch so schmerzlich dʼrein.

Ade, herzinniges Liebchen,
Lebt wohl ihr Aeuglein thränenroth!
Die süßen Wangengrübchen
Die bringen mir den Tod.

Die Sonne sank vor Schmerze
Hinunter — welchʼ ein Knall, o weh! —
Dem Fähndrich trafʼs das Herze:
Fahr wohl mein Schatz, ade!

                                                            K. Doll.