Unter den Sagen, die Karl Doll 1879 in der „Alemannia VII“ veröffentlicht hat, ist eine mit dem Namen „Die Simmozheimer Glocke“ vertreten (im Buch auf S. 149):
Die Simmozheimer haben eine große Glocke, die mit der Figur eines Pabstes geziert ist. Dieselbe soll umgegossen worden sein und scheint nach den Dimensionen des Kirchturms für disen anfänglich kaum bestimmt gewesen zu sein. Von dieser Glocke get die Sage, sie sei nach Kriegszeiten auf dem Felde aufgefunden worden und da habe sie nicht anders geläutet, als: „Susanna, zʼSimmozheim do muß i hanga.“ Daher wurde sie auch auf den Glockenstul des Kirchturms zu Simmozheim gebracht. Die von dem nahen Weil der Stadt, welche die Glocke gern gehabt hätten, boten sovil kleine Taler dafür, als man, Stück an Stück, auf dem Wege von Weil der Stadt nach Simmozheim legen könnte. Als aber beide Teile des Handels eins wurden und die Glocke zu Weil der Stadt aufgehängt war und läuten sollte, blib sie völlig stumm, so daß der Handel wider rückgängig gemacht und die Glocke nach Simmozheim zurückgebracht wurde, wo sie iren Dienst biß auf disen Tag getreulich versiht. Mündlich, Simmozheim.
Vgl. die Glockensage vom Wunnenstein bei E. Meier S. 342.
1525 von Bastian Sydler gegossene Glocke
Die besagte Glocke befindet sich noch heute auf dem Turm der Simmozheimer Dreifaltigkeitskirche. Sie wurde im Jahr 1525 von dem Esslinger Glockengießermeister Bastian Sydler gegossen. Es handelt sich um die Betglocke des vierstimmigen Simmozheimer Geläuts. Neben ihr befinden sich noch die kleinere Kreuzglocke, ebenfalls von Bastian Sydler gegossen, sowie die jüngeren beiden, die Zeichenglocke und die Taufglocke, auf dem Simmozheimer Kirchturm. [1]
Die Betglocke läutet täglich um 11 Uhr und um 20 Uhr. Das Mittagsläuten „ist die Trutzglocke wider den Antichrist. Es ruft zum Gebet um die Erhaltung des Wortes Gottes und um den Frieden in der Kirche und im Land. […] Die Nachtglocke um 20.00 Uhr mahnt zum Nachtgebet, erinnert an die eigene Todesstunde und an den jüngsten Tag. Die Betglocke übernimmt auch das erste Vorläuten zum Gottesdienst und ruft während des Vaterunser alle diejenigen zum Mitbeten auf, die nicht zum Gottesdienst kommen konnten.“ [2]
Der „Simmozheimer Glockenkrieg“
Die Glocke mit dem Ton e‘ und einem Nachhall von 155 Sekunden wiegt 1340 kg und hat einen Durchmesser von 128,5 cm. Im Gegensatz zur Sage befindet sie sich seit jeher auf dem Simmozheimer Kirchturm und wurde seinerzeit von der Gemeinde bei Bastian Sydler in Auftrag gegeben. Die Weil der Städter hegten auch nie Interesse an der Glocke, wohl aber die geistliche Verwaltung in Vaihingen an der Enz. Im Jahr 1618 kam es dort zu einem schweren Stadtbrand, wobei auch die Kirche mitsamt ihren fünf Glocken den Flammen zum Opfer fiel. Die in der Asche aufgefundene Schmelzmasse reichte offenbar für drei neue Glocken, die Stadt hatte aber Interesse an einer weiteren, größeren Glocke.
Die Idee war nun folgende: Im benachbarten Nußdorf fanden sich in zwei Kirchen insgesamt sechs Glocken. Dieser Überfluss sei nicht nötig und so könne man doch eine der Nußdorfer Glocken nach Simmozheim bringen und die dortige große Glocke im Gegenzug in Vaihingen aufhängen. Man wandte sich mit diesem Plan an Herzog Johann Friedrich, der bald darauf zustimmte. Eine der Nußdorfer Glocken wurde dann tatsächlich nach Simmozheim gebracht, doch bald darauf erschienen etwa 60 Personen aus Nußdorf im Ort und forderten die Rückgabe der Glocke. Es kam zu tumultartigen Szenen, die zwar noch ein juristisches Nachspiel haben sollten, doch durften letztlich sowohl die Nußdorfer als auch die Simmozheimer ihre jeweiligen Glocken behalten. [3]
Die von Doll genannte „Glockensage vom Wunnenstein bei E. Meier“ hat er selbst in seinen „Schwäbischen Balladen“ unter dem Titel „Glockenheimweh“ dichterisch bearbeitet. Ein Beitrag zu dieser Ballade und weiteren Bearbeitungen der Wunnensteinsage findet sich bei Sagenballaden.de.
Eine ähnliche Sage existiert auch von der Kirche im benachbarten Aidlingen. [4]
Audioaufnahmen des Simmozheimer Geläuts finden sich auf den Seiten der Evangelischen Kirchengemeinde Simmozheim.
Mein herzlicher Dank gilt Herrn Pfarrer Manfred Mergel, der mir die Besichtigung der Glocke ermöglichte und mir den Beitrag über den Simmozheimer Glockenkrieg zur Verfügung stellte.
Anmerkungen
[1] Vgl. Emil Ehninger, Karl Baral und Frithjof Altemüller: Die Dreifaltigkeitskirche grüßt ins Land. In: Simmozheim – Geschichte und Geschichten. Herausgegeben von der bürgerlichen Gemeinde und der evangelischen Kirchengemeinde Simmozheim. Simmozheim 1997. S. 15–19, hier S. 16. [zurück]
[2] Ebd. [zurück]
[3] Vgl. Wilhelm Feil: Der Glockenkrieg zu Simmozheim. In: Geschichte der Oberamtsstadt Vaihingen a. d. Enz im Rahmen der Landesgeschichte. Erschienen als Vaihinger Geschichtsblätter 1933-1935. Vaihingen an der Enz 1935. S. 49–53. [zurück]
[4] Vgl. Eberhard Benz: Der Häseltrog. Sagen und Geschichten aus Schönbuch und Gäu. Böblingen 1950. S. 80. [zurück]