Schwaben-Kalender

Im Jahr 1884 startete der Verlag von Wilhelm Kohlhammer seinen „Schwaben-Kalender“, ein „belehrender und unterhaltender Kalender für Jung und Alt“, der bald zu einer festen Institution in Württemberg werden sollte und bis heute unter dem Namen „Schwäbischer Heimatkalender“ alljährlich erscheint. Das Heft umfasste neben praktischen Informationen wie Marktterminen und Kochrezepten sowohl literarische als auch populärwissenschaftliche Beiträge. Schon in der ersten Ausgabe war Karl Doll mit der Ballade „Herzog Ulrichs Linde“ vertreten. Diese war zuvor bereits in den „Schwäbischen Balladen“ erschienen. Hierin zeigt sich, dass der „Schwaben-Kalender“ durchaus eine Werbefunktion für den Verlag hatte: „Aus dem Buche: Schwäbische Balladen von Karl Doll. Verlag von W. Kohlhammer in Stuttgart. Preis elegant gebunden 5 Mark“ , stand als Fußnote darunter. Im Jahr 1885 sind einige exklusive Dichtungen Dolls vertreten, danach findet sich nichts mehr von ihm im „Schwaben-Kalender“.

1884
Herzog Ulrichs Linde
1885
Königin Olga
Kinderfrühling
Maimorgen

[1884]
[38]


Herzog Ulrichs Linde.*

Verbannt, ein heimatloser Mann,
Weiß Gott! ein böser Stand!
Schwer muß Herr Ulrich leiden,
Manch liebes Jahr schon meiden
Sein wunderschönes Land.

Durch Waldung irrt er, Schlucht und Moor,
Im Busen Groll und Schmerz.
Sank denn sein Stern für immer?
Nein, Gott verläßt ja nimmer
Ein tüchtig Schwabenherz.

Was blinkt wie heller Harnischglanz
Herab vom Waldesrand?
Die Hirschhorn-Banner wallen,
Bald muß der Würfel fallen;
Der Herzog zieht ins Land.

Genüber auf dem Plane, ha,
Prahlt dort nicht Oestreichs Macht?
Drauf gehts mit hellen Haufen,
Die Feinde, wie sie laufen!
Das ist die Lauffen-Schlacht.

„Mein Wirtemberg, nun sei gegrüßt,
Du heiß umworbne Braut!“
Sein Lieben, Sehnen, Hoffen,
Das Land, es liegt ihm offen,
Das ihm aufs neu vertraut.

Gen Tübingen der alten Pfalz
Mit Macht es zog den Herrn.
Den Steig hinan zum Schlosse
Ritt er auf stolzem Rosse,
Blieb allzulang ihm fern.

Und hochhin schweift des Herzogs Blick.
Wie lacht herauf mein Land!
Fern dort die Alb, die blaue,
Hier sonnenlichte Gaue,
Besäumt vom Neckarstrand.

Die Arme breitet er entzückt,
Aufjauchzt sein Herz fürwahr:
Den Lindenzweig vom Hute
Nimmt er mit freudgem Muthe,
Wirft ihn zum Gruße dar.

Das ward hernach der Lindenbaum,
Der vor dem Schlosse steht.
Ins Land zu seinen Füßen
Hei, wie von hier ein Grüßen
Süß rauschend niederweht!

Ein Maienstrauß von edler Art,
Steht hoch er auf dem Wall.
Aus seinen grünen Zweigen
Viel goldne Düfte steigen
Bei froher Vögel Schall.

Und wie die Linde, höher doch,
Wuchs aus des Fürsten Haus,
Voll Ruhm, ein Baum wie wen’ge:
Er breitet über Kön’ge
Sein Dach weitschattend aus.

Und Grüße gehn von ihm ins Land
Mit jedem Tag aufs neu.
Glück auf, ihr edlen Triebe!
Wachst in des Volkes Liebe
Stets furchtlos und getreu!

*Aus dem Buche: Schwäbische Balladen von Karl Doll. Verlag von W. Kohlhammer in Stuttgart. Preis elegant gebunden 3 Mark.


[1885]
[?]


Königin Olga.

Strahlend in der Schönheit Fülle,
Rings mit Hoheit angethan,
Sah’n, vom Himmel uns gesendet,
Unsre Königin wir nahn.

Licht umfloß das edle, klare
Diademgekrönte Haupt,
Licht der Anmut, Liebe, Milde,
Und dem Lichte ward geglaubt!

Seit ein goldner Julimorgen
Uns die hohe Fürstin gab,
Neigte mancher Lenz vor ihrem
Thron den blüh’nden Herscherstab.

Strahlend in verklärter Schöne
Königlich an Herz und Sinn,
Strahlend in der Thaten Glanze
Zeigt sich heut die Königin.

Die zu Glück und Heil dem König,
Uns zum Segen Gott verlieh,
Wie der Krone sie gewaltet,
Nein, vergessen wird es nie.

Will der feierliche Purpur
Mit gemess’ner Strenge schon
Uns entziehn ihr stilles Wirken,
Dennoch wissen wir davon;

Wissen, welche zarte Sorgfalt
Ihrem hohen Herrn sie weiht;
Wissen, wie des Landes Glück sie
Sinnt zu mehren allezeit.

Kunde ward uns: alles Edle,
Was begeistert und erbaut,
Wahrheit, Schönheit, Kunst und Wissen
Ist der Herrlichen vertraut.

Eins vor allem aber dünkt ihr
Göttlich, majestätisch hehr:
Kummer, Leid und Qual zu lindern
Ist der edlen Brust Begehr.

Nimmer darf der Mund verschweigen,
Was zumeist das Herz erfüllt,
Und so sei es denn dem Liede,
Sei’s von ihm der Welt enthüllt!

Gleich Elisabeth, der Heil’gen,
Sucht sie demuthvoll die Not:
Ach, wie oft, gleich jener, wandelt
Rosen ihre Hand in Brot!

Und die Armut, mit zerriss’nem
Herzen, fahl, von Thränen blind,
Hier ein Greis auf hartem Pfühle,
Dort ein elternloses Kind;

Und der auf dem Feld der Ehre
Sank, ein Held einst, todeswund,
Und die Wöchnerin, die dürft’ge,
In verfall’ner Hütte Grund;

Und die sorgenmüde Witwe,
Der verwelkt der Wünsche Saat:
Alle sehn in ihr den Engel,
Der, voll Mitleid, helfend naht.

Wer weiß, wie viel Augen flammten
Hell und Herzen schon empor,
Wie viel Dankgebete stiegen
Aus erlöster Brust hervor!

Manch’ Asyl, von ihr gestiftet,
Schlicht und stattlich, groß und klein,
Wird noch in den fernsten Tagen
Ihres Hochsinns Zeuge sein.

Siehe, solche Landesmutter
Ist dir, Schwabenland, bestellt,
O wie mannigfalt gesegnet
Bist du doch vor aller Welt!

Königin Olga, Fürstin, Mutter,
Die du stillest Not und Qual,
Die du Himmelsmanna spendest,
Sei gepriesen tausendmal!

[45]

Kinderfrühling


Kinderfrühling

Frühling ist wieder, hell wandelt die Sonne,
Strahlend und wärmend am Himmel empor,
Ueberall brechen zu traulicher Wonne
Flatternde Fähnchen aus Knospen hervor.

Kinder! o kommet, zur Freude, zum Spiele!
Kindliche Herzen, schnell sind sie beglückt.
Harren doch euer der Blumen so viele,
Blumen, womit ihr zum Reigen euch schmückt.

Pflücket die lieblichen, eh’ sie verwehen,
Und überhört nicht den Kuckuck im Holz;
Aber die giftigen lasset fein stehen:
Habgier und Hochmuth, Neid, Hoffart und Stolz!

Wer weiß am Bache die trauteste Stelle,
Blätterumflüstert, vom Hänfling bewacht?
Ueber der Welle dort streicht die Libelle,
Wiegt sich ein Falter in schillernder Pracht.

Muntere Jugend, sie kennet kein Zaudern:
Weich sich zu lagern im schwellenden Gras,
Kränze zu winden bei Lachen und Plaudern,
Märchen zu hören, wie köstlich ist das!

Sieh, wie die Finger der Mädchen so rege,
Finger und Mäulchen, wie niedlich, wie schön!
Aber die Knaben am grünen Gehege
Schneiden sich Pfeifchen, o süßes Getön! –

Lenze wie Winter, sie kommen und schwinden,
Ach, und die Welt ist so kalt oft, so roh.
Werdet nach Jahren ihr wieder euch finden,
Kinder, wie heute, so fromm und so froh?

Haltet zusammen und liebet euch immer,
Die ihr einander als Kinder erfreut:
Freunden der Kindheit sind Blumen, die nimmer
Frostig der Winter des Alters zerstreut.

                                                            Karl Doll.

[59]

maimorgen


Maimorgen.

Von K. Doll.

Wach auf, mein Kind, hellauf geschwind!
  Schon putzt sich im Fenster dein Kätzchen,
Und die Blumen duften süß und lind
  An deinem Lieblingsplätzchen.

Die Morgenstund hat Gold im Mund,
  Und die Vögel schmettern und schlagen,
Und Himmel freut sich und Erdenrund,
  Dir „guten Morgen“ zu sagen.

Schon tritt fürwahr mein Mägdlein dar,
  Bestaunend die Pracht ihr zu Füßen.
Maimorgen, wie bist du so duftig klar,
  Wenn Kinderaugen dich grüßen!