In Ulm, um Ulm und um Ulm rum

Gustav Seuffer (Hrsg.): In Ulm, um Ulm und um Ulm rum. J. Ebner's Verlag. Ulm 1887.

Gustav Seuffer (Hrsg.): In Ulm, um Ulm und um Ulm rum. J. Ebner’s Verlag. Ulm 1887.

Als der Ulmer Dichter Gustav Seuffer im Jahr 1887 seine Anthologie „In Ulm, um Ulm und um Ulm rum“ herausgab, steuerte Doll, der im Ulm das Gymasium besucht hatte, drei exklusive Balladen bei: „Die liebste Stadt“, „Der Student von Ulm“ und „Die Friedrichsau“. Zudem wurden vier Stücke aus den „Schwäbischen Balladen“, die Sagen aus Ulm und Umgebung zum Thema hatten, in das Buch aufgenommen. Neben Dichtungen Gustav Seuffers umfasst der Band Balladen und Romanzen von zahlreichen zeitgenössischen Autoren wie etwa Eduard Paulus oder Georg Jäger. Zudem fanden sich darin Werke bereits verstorbener Dichter wie August Kopisch, Wilhelm Zimmermann und Karl Mayer. Seuffer war neben den Brüdern Carl und Richard Weitbrecht einer der bekanntesten schwäbischen Dialektautoren des 19. Jahrhunderts, schrieb jedoch auch in hochdeutscher Sprache.

Die liebste Stadt
Der Student von Ulm
Die Hochzeit auf Arnegg
Am Blautopf
Die traurige Werbung
Ulmer Sage
Die Friedrichsau

[3]
[…]


Die liebste Stadt.

Original-Beitrag von  K a r l   D o l l.

An des Schwabenlandes Marke,
Wo der blaue Donaustrom
Wienerzill’ und Fischerbarke
Schaukelt, steht ein hoher Dom.
Ueber Berg und Waldung gerne
Schaut er, über Land und Au,
Bis wo, Zelten gleich, von ferne
Winkt der Alpen Silbergrau.

[4]

Ulm, du fluterstandne Perle,
Alte deutsche Kaiserbraut,
Wo bei Rüster, Esch’ und Erle
Ward dereinst die Pfalz gebaut,
Wo den Mönchen und Prälaten
Aus der guten Reichenau
Mancher Zeitvertreib geraten
Unter deiner Lüfte Blau.

Ulm, hochedle, ruhmgezierte,
Hort der Freiheit, Hort der Zucht,
Deren Geld die Welt regierte,
Echten Bürgerfleißes Frucht,
Wo die Kunst die Schwingen rührte
Zu dem göttlichen Beruf,
Zeitblom seinen Pinsel führte,
Sylrins Meißel Wunder schuf!

Denk ich dein, in allen Fernen
Schaut dein Bild der Geist mit Luft,
Deiner Sonne, deinen Sternen
Gilt die Sehnsucht in der Brust.
Herrlich ist dein Los gefallen,
Die du prangst in seltner Zier,
Keine von den Städten allen
Gleicht an heitrer Schöne dir.

Strahlt dir nicht im Morgenschimmer
Deiner Türme schmucker Chor?
Steigt nicht immer hoch und herrlich
Deines Münsters Zier empor?
Spült die laue Spiegelwelle
Tag um Tag die freundlich nicht
Vor die Füße, vor die Schwelle
Einen Himmel, tief und licht?

[5]

Hört man nicht die Lerchen schlagen
Vor dem grünumlaubten Thor,
Wo die Sonne mit Behagen
Weilt auf duft’ger Gärten Flor?
Um die Giebel, um die Gassen,
Spielt gedämpft das gold’ne Licht,
Und die blanken Fenster lassen
Schau’n manch lieblich Angesicht.

Glück und Heil dir um die Minne,
Die dort meinen Lenz geschmückt,
Um die Blüten, zum Gewinne
Dort für Geist und Herz gepflückt!
Heil der Stadt, der altersgrauen,
Dennoch jugendfrisch und neu!
Heil den Männern, heil den Frauen,
Die der Vätersitte treu!

Was du schaffst, es möge glücken,
Was du hoffst, es sei vollführt;
Möge stets dein Reiz dich schmücken,
Der dir alle Herzen rührt:
Duft’ger Glanz, den Gott behüte,
Der dich kränzt wie Rosenschein,
Schlichte, fromme Herzensgüte,
Gold’ner Frohsinn, traut und rein.

Könnten Stürme niederschmettern
Deutsches Wesen, deutsches Wort,
Du, Getreue, hältst in Wettern
Fest sie noch, ihr letzter Hort.
Nicht umsonst gegürtet, Hehre,
Stehst du, Heldenjungfrau’n gleich:
Du, der Donau Wacht und Wehre,
Schirme, schütze wohl das Reich!

[6]
[…]



[…]
[45]
[…]


Der Student von Ulm.

Originalbeitrag von  K a r l   D o l l.

Das Fest ist vorüber, verrauscht ist sein Schall,
  Wohl mancher rief gern es zurück.
Der Bürgermeister, der Jubilar,
Wie stolz er saß in der Gäste Schar!
  Doch traut nicht der Lust und dem Glück!

Ein Graukopf nur – was der noch will? –
  Schleicht finster den Saal noch entlang:
„Mein Leben vergiftet, die Tochter verführt –
So werde denn Rache, wem Rache gebührt,
  Zum Fluch ihm der Jubelgesang!“

[46]

Er beugt sich über des Tisches Rand,
  Fürwahr, ich täusche mich nicht,
Ausstreckt er die Hand und ergreift den Pokal
Und birgt ihn im Busen und eilt aus dem Saal;
  Aufflackernd erlöschet das Licht.

Früh morgens, als es zu dämmern begann,
  Da hub sich ein junger Gesell.
Der denkt: Zur Schule der Weg ist weit,
Und das Wetter so schön und so köstlich die Zeit,
  Tornister und Degen zur Stell.

Und zum Thore hinaus, Feinslieb ade!
  Hinaus in die grünende Pracht.
Es funkelt im Grase, der Vogel singt,
Es jubelt das Herz und das Lied erklingt
  Und der Himmel, der strahlende, lacht.

Was kommt galoppiert dort hinter ihm her?
  Drei Reiter in Saus und Braus:
„Halt an, halt an, du junges Blut!
Du nahmst den Becher, das thut nicht gut,
  Du trankst als der Letzte daraus!“

Grimm zog vom Leder der junge Student,
  „„Ihr Lügner, pariert mir den Hieb! –““
„Hinweg, o du Bürschlein, dein elend Rapier!
Das Ränzel herunter! Was funkelt denn hier?
  Wer ist nun der Lügner, der Dieb? –“

„O Himmel, wer hat mir das gethan!
  Mit mir nun ist es vorbei!
Ihr schleppt, ihr Häscher, mich mit euch fort,
Ihr Musen ade! wer hört auf mein Wort?
  Wer glaubt mir, daß schuldlos ich sei?“

[47]

Des heiligen römischen Reichs Stadt Ulm
  Der Türme hat sie gar viel;
Die Türme sind hoch und sind tief genug.
Wen führen sie dort hinaus im Zug,
  Zur Richtstatt, zum blutigen Ziel?

Die Knie schlottern, die Wang’ ist fahl,
  Der hat wohl die Folter verspürt.
Ach Gott, das ist ja derselbe Student,
Des Namen so manche Mutter nennt,
  Von stillem Erbarmen gerührt.

„Herr Bürgermeister, und wißt Ihr’s schon?
  Schlimm steht es um Euer Kind!
Sie ringt die Hände, sie rauft das Haar,
Sie weint und lacht, ist irre gar,
  Kehrt um und nach Hause geschwind!“ –

„„Und ist – sei ruhig, mein Töchterlein –
  Und ist es so mit dir bewandt;
Und ist der Aermste der Buhle dein,
Sei ruhig, er soll begnadigt sein,
  Der Bote, schon ist er entsandt!““ –

Nicht lang, ein Greise tritt in die Thür:
  „Zu spät der Pardon, zu spät!
Vollzogen der Spruch, das machtet Ihr gut,
Ob auch von meinem Fleisch und Blut,
  Was thuts, wenn die Rache gerät?

Denkt meiner Tochter Ihr noch? durch Euch
  Lang fault im Grabe sie schon;
Ha, Blut um Blut, wie gut es sich trifft!
Wißt, den Ihr gemordet – Euch zeigt’s hier die Schrift –
  War, Herr, Euer eigener Sohn!“

[48]
[…]



[…]
[53]
[…]


Die Hochzeit auf Arnegg.

Aus: „Schwäb. Balladen“ von  K a r l   D o l l,  Stuttgart 1883.

Auf Arnegg im Schlosse welch rauschendes Leben!
Es hallen die Wände, die Dielen erbeben,
Es flackern die Lichter, es flimmert der Saal,
Es perlet und funkelt der Wein im Pokal.

Im Reigen wie blühende Rosen, die Holden,
Wie sprüht an den Tischen die Laune so golden!
Dort wiegt sich das Brautpaar im schwebenden Chor,
Hier thut es den Gästen der Burgherr zuvor.

Kaum gönnen sie Rast sich, die Zinken und Pfeifen,
Zu Ehren heut kommt nur das Trinken und Schleifen.
Herr Dieter, wohl darf er der fröhlichste sein,
Den trefflichsten Eidam er kürte vom Rhein.

O stille doch! hört ihr? auf silbernen Schwingen
Erhebt sich ein Brautlied, die Harfen erklingen.
Es schweben die Töne, wie Funken entfacht,
Sie preisen der Minne beglückende Macht.

Da glühen die Damen, da lauschen die Zecher.
Nun schweigen die Harfen, es rasseln die Becher,
Wie Glückruf umschallt es vielstimmig zumal,
Wie hallender Donner durchläuft es den Saal.

Das Trinkhorn Herr Dieter entbeut in die Runde,
Den Frohmut im Herzen, den Schalk auf dem Munde,
Spricht jeder ein Wörtlein und trinket dabei.
Nun hebt sich Herr Dieter und füllt es auf’s neu.

Er tritt zum Altan, wo das nächtliche Rauschen
Lichtelfen und Geister der Tiefe belauschen,
Die schweben im Mondschein vom himmlischen Rund,
Die recken ihr Haupt aus dem gähnenden Schlund.

[54]

Wie Silber erglänzet die Nähe, die Ferne,
Es schau’n aus der Höhe die schimmernden Sterne,
Die zaub’rische Lenznacht voll Dunst und voll Schein,
Sie thut es ihm an und sie giebt es ihm ein.

Dort hoch auf der Thalwand steht, wie wenn es träumte,
Schloss Nidegg, das nahe, vom Dunkel umsäumte,
Wie Marmor die Mauern, die Zinnen wie Gold,
Als wär’ es gezaubert, so schimmert es hold.

„Dein Wohlsein, Herr Bruder! indessen wir bürsten,
„Du möchtest, das wäre doch schade, verdürsten!“
Erst nippt er, dann schwingt er das Trinkhorn mit Macht
Und schleudert das Weingold hinaus in die Nacht.

„„Was ist euch auf einmal das Westlein so rote,
„„Herr Dieter, als wär’t Ihr getroffen zu Tode?““
Der wanket und sinket! Vorüber die Lust.
Hilf Himmel! ein Pfeilschuß inmitten der Brust!

„O Nidegg! o Bruder!“ kaum hat er’s gesprochen,
Still ist es und Herz ihm und Auge gebrochen.
Wo Freude noch eben gewaltet im Haus,
Da herrscht nun Verwirrung und Trauer und Graus.

Aufspringen die Herren, es jammern die Frauen,
Die drängen zur Pforte, die stehen und schauen,
Die heischen sich Waffen, die rennen umher;
Nur Einer nicht rührte, Herr Dieter, sich mehr.

Noch Einer nicht rührt sich: vom Mondschein umzogen,
Herr Hugo zu Nidegg, in Händen den Bogen.
Als Schatten wohl wird er noch drüben einst steh’n,
Wie gut ihm der Pfeilschuß geraten, zu seh’n.

Die Kerzen, die Sterne schon sind sie verblichen,
Verklungen die Freude, die Gäste gewichen,
Der Morgen, der bläuliche, dämmert herein
Und wehret der Lampe verglimmendem Schein.

[55]

Verödet die Halle, den Odem verhalten,
Das Lager des Toten umknie’n zwei Gestalten;
Mich dünkt es ein Brautpaar, das hat dort die Nacht
Mit Weinen und Schluchzen und Beten verbracht.

Und hinten im Saale, geborgen im Schatten,
Ein Diener, ein greiser, der spürt kein Ermatten.
Oft schüttelt das Haupt er, als wär er im Traum
Und spricht und die Lippe beweget sich kaum:

„Den Wildbann, die Feldmark, so mußt Du sie zahlen?
„Du ließest ihm nichts als den Burgstall, den kahlen!
„O daß auf das Mönchlein Du lüstern gehört,
„Das wider den Bruder den Bruder empört!

„Und noch, um das Werk, das unsel’ge, zu krönen,
„Im Mutwill dem Hasse zu fügen das Höhnen!
„O tückische Habgier, o frevelnder Mut!
„O Hochzeit auf Arnegg voll Schauder und Blut!“



Am Blautopf.

Aus: „Schwäb. Balladen“ von  K a r l   D o l l,  Stuttgart 1883.

Steht still im Felsenrunde
Der See der schönen Lau,
Tief taucht zu seinem Grunde
Hinab des Himmels Blau;
Doch blinkt im Monde nächtig
Die Flur wie gold’ner Schnee,
Dann weht es zaubermächtig,
Wie nur am Herthasee.

Heut aber welch ein Toben!
Hoch schwillt und zischt die Flut,
Sie hat das Haupt erhoben
In wildempörter Wut.
[56]
Es gähret und gewittert
Im trüben Wogenschaum.
Das arme Kloster zittert
An seinem Ufersaum.

Schon überwallt mit Brausen
Des Kraters feuchter Schwall,
Der Städter sieht mit Grausen
Anstürzen die Wasser all.
Wie säumt ihr Mönche lange!
Wir sterben allzumal!
Da wird es laut im Gange,
Aufthut sich das Portal.

Es wallt bedächt’ger Weise
Die Brüderschaft hervor,
Hoch hält der Abt, der greise,
Den heil’gen Leib empor;
Das Rauchfaß wird geschwungen
Mit Sang und Segenswort.
Die Wasser unbezwungen,
Sie rauschen, rasen fort.

Nun heischen gold’ne Becher
Der Prior und der Abt,
Wie königliche Zecher
Sie besser nicht gehabt:
Nimm hin denn in der Tiefe
Dein Opfer, grimme Fee! –
Als ob er ewig schliefe,
Stand still und blau der See.

[57]
[…]



[…]
[64]


Die traurige Werbung.


Lauterthalsage.
Aus: „Schwäb. Balladen“ von  K a r l   D o l l,  Stuttgart 1883.

Ich weiß ein Brünnlein kühle,
Das quillt aus Felsen frei;
Da stehet eine Mühle,
Ein Kirchlein auch dabei.

Daß Herzeleid und Klagen
Zuletzt der Liebe Lohn,
O Lauterthal, zu sagen
Wohl weißt auch du davon.

Was fährt der junge Hirte
So gern in dieses Thal?
O, daß er doch verirrte
Beim allerersten Mal!

Das schafft mit gold’nem Härlein
Des rauhen Müllers Kind;
Wo fände sich ein Pärlein
So schmuck, wie dies, geschwind?

Oft half die Maid ihm weiden
Die Lämmlein auf dem Plan.
Es waren sich die beiden
Gar herzlich zugethan.

Und hielt die Maid umfangen
Er sittiglich und zart,
Ihr dufteten die Wangen
Nach holder Nelken Art.

Was wallt im Sonntagskleide
Zuthal der junge Knab?
Heut geht es nicht zur Weide
Mit Hund und Schäferstab.

[65]

Zu treten will er wagen
Dem Müller vor’s Gesicht:
„Herr! wollet mir versagen
„Des Herzens Bitte nicht!

„Zur Hausfrau wollt bescheren
„Mir, Meister, Euer Kind,
„Dieweil wir uns in Ehren
„Herzgut einander sind!“

„„Du freien? meine Tocher?
„„Erbärmlich Schäferlein!
„„Ja, trügst Du mir““, so pocht er,
„„Den Mühlstein erst herein!““

Der Stein, der lag am Graben,
War beides, breit und schwer,
Wie wuchs die Kraft dem Knaben!
Er hebt, er schleppt ihn her!

Da zürnt und schnaubt der Schlimme:
„„Mich höhnt Dein Uebermut!““
Und stößt in seinem Grimme
Den Jüngling in die Flut.

Das Mühlrad dreht sich munter,
Das Wasser stäubt zu Schnee,
Den Jüngling nimmt’s hinunter,
Das war zu großem Weh.

Ein Morgenglöcklein klinget,
Hallt schrill und bang genug:
Den toten Knaben bringet
Herein ein Trauerzug.

Sie legen an lichter Stelle
Ihn zwischen Buchen grün,
Wo sanft erklingt die Welle,
Wo blaue Blümlein blüh’n.

[66]

Ein Abendglöcklein klinget,
Das hallt gar ernst und schrill:
Wer ist, den tot man bringet?
Ich schweig’ am liebsten still.

Sie legen zu dem Schäfer
Sein Lieb in blum’gen Klee,
Rings weiden um die Schläfer
Die Lämmlein weiß wie Schnee.

O Knab, so jung an Jahren,
Daß du das Grab erlost!
Du Kind in gold’nen Haaren,
Ach, daß der Tod dich kost!

O Müller, kummerblasser,
Wohl schmerzt die Reue tief;
Wo aber ist ein Wasser,
So quellwärts wieder lief’?

[…]
[67]
[…]



[…]
[76]


Ulmer Sage.


Aus: „Schwäb. Balladen“ von  K a r l   D o l l,  Stuttgart 1883.

Vernehmet ihr gern ein Histörchen,
Wie seiner kein zweites im Reich?
Es war ’mal ein Stadtmauerthörchen,
Es war auch ein Balken zugleich.
Der Balken war einer der längsten,
Er sollte zum Stadtthor hinein,
Das Thörlein wohl eines der engsten,
Da war denn die Mühe nicht klein.

Das waren die Ulmer, die brachten
Den Baum zu dem Stadtthor daher,
Da stellt – daß sie das nicht bedachten! –
Sich ihnen das Thor in die Quer.
Wer war wie die Ulmer bestürzter?
Schräg ward es und aufrecht probiert:
Das Rätsel ward immer geschürzter,
Der Balken war gar zu borniert.

Sie schieben und heben und rücken,
O dreifach verteufelter Spuck!
Kein Raten, kein Thaten will glücken,
Man spürt nicht den mindesten Ruck.
Sie messen, sie richten wie Falken,
Ho hopp! ihr Kommandoruf tönt.
Vergebens! da werfen den Balken
Sie zornvoll, daß donnernd er dröhnt.

Anrücken die tüchtigsten Meister
Der löblichen zimmernden Zunft,
Vom Rathaus die fürnehmsten Geister
An Weisheit gar stark und Vernunft.
[77]
„Ha“, sprachen die Würdigen, „klar ist
„Die Causa: das Loch ist zu schmal,
„Drum ergo: höchst nötig fürwahr ist
„Erweiterung hier – wie fatal!“ –

„„Erweiterung! Alberne Kunde!
„„So schaut doch den Balken euch an!
„„Entfernung des Thorturms vom Grunde,
„„Das weitet alleine die Bahn!““
Schon eilet das Handwerk zur Stelle
Mit Hacken und Leitern zuhauf:
O Thorturm, du schmucker Geselle!
Nun geht es dir bald an den Knauf.

Hoch schaute mit breitem Behagen
Die Spätzin vom Nest und der Spatz.
„Ei“, denkt sie, „wie die dort sich plagen,
„Ei“, spricht sie, „herztausiger Schatz!
„Hilf jenen, o hilf auf den Strumpf!
„O denke dir, Freund, das Entzücken,
„Ein Spatz und ein solcher Triumph!“

Herr Sperling war äußerst ämabel.
Ein Strohhalm lag unfern am Platz:
Hinfliegt er, schon faßt ihn sein Schnabel,
Ein feiner Präzeptor, der Spatz!
Jetzt kehrt er zum Neste behende,
Den Herrn an der Nase vorbei,
Hinein und von Ende zu Ende
Nachzieht er das Hälmchen, ei ei!

Ei ei, wie ging allen ein Licht auf!
Gelöst war das Rätsel zur Stund,
Sie rissen gar weit im Gesicht auf
Sperrangelweit Augen und Mund.
[78]
Juheisa! nun sind wir geborgen,
Juheisa! so tönt es im Chor,
Vom Nacken sie warfen die Sorgen
Und trugen den Balken in’s Thor!

Ganz Ulm bringt der Vogel in Wallung,
Zum Stadtrat fast wird er gemacht,
Zu schwierig nur schien die Bestallung,
Da ward denn ein Ausweg erdacht:
Den Spatzen, den ließen sie hauen
Zur ewigen Urkund in Stein,
Vom Dachfirst des Münsters ihn schauen
Weit, weit in die Lande hinein.

Stolz blickt und erkenntlich noch jetzt auch
Die Stadt zu dem Steinspatz empor.
Ist doch es ein Denkmal, gesetzt auch
Unsterblichem Ulmer Humor!
Denn wißt: seit der Welt die Historie
Neckfroh that ein Schalk einst bekannt,
Seitdem hat zu mehrerer Glorie
Die Ulmer man „Spatzen“ genannt.

[…]
[79]
[…]




[…]
[121]


Die Friedrichsau.


Originalbeitrag von  K a r l   D o l l.

Reich an Schönheit, reich an Wonne
Hegt die Welt, son manchen Ort,
Aber gold’ner strahlt die Sonne,
Sel’ger nirgend’s wohl wie dort.

Dort, wo von der Donauwelle,
Von der blauen, hold begrenzt,
Mit den trauen Häuschen helle
Der Kastanienhain erglänzt.

Wo, wer kann, am kühlen Plätzchen
Froh genießt des Tages Glanz,
Manches holde, munt’re Schätzchen
Sich vergnügt bei Spiel und Tanz.

[122]

Oben lichter Sonnenhimmel,
Wie verklärt zu Lust und Scherz,
Unten bunt bewegt Gewimmel,
Offnes Wort und offnes Herz!

Rings an all den blanken Tischen
Wie das plaudert, scherzt und lacht!
Und das Krüglein geht dazwischen
Und der Deckel klappt mit Macht!

Vöglein singt im nahen Walde,
Doch vom Schießstand Knall um Knall!
Und entlang der Bergeshalde
Schlängelt sich der Widerhall.

Ulmerherz voll bied’rer Treue,
Schlägst mit Recht hier stolzbeglückt,
Denn als Kind schon und auf’s neue
Fühlst du hier dich stets entzückt.

Unterm gleichen Himmel tagte
Hier Geschlecht schon um Geschlecht,
Ulm, eh noch sein Münster ragte,
Hat gelacht hier und gezecht.

Strenge Ratsherrn, reich an Wissen,
Holten hier sich edlen Rat,
Fromme Zünfte, kunstbeflissen,
Kraft und Witz zur guten That.

Welche Menschenströme zogen
Festlich, strahlend schon heran!
Wie viel stolze Banner flogen
Schon vorüber auf dem Plan!

Wie viel Leider aus dem Grünen
Stiegen lerchengleich empor!
Zündend oft auch von Tribünen
Schlug hier deutsches Wort in’s Ohr.

[123]

Mich einst hat im Jugendlenze
Deines Zaubers Macht berührt,
Die selbst an des Lebens Grenze,
Hoff’ ich, noch das Herze spürt.

Elfenleichte liebe Kinder,
Maienglöckchen, zart und weiß,
Frei das Herz vom künf’gen Winter,
Schwangen sich, dem Mai zum Preis.

Laß mich immerdar dich grüßen,
Trauter Bann, so Fluß als Hain:
Friedrichsau! in diesen süßen
Namen schließ ich alles ein.

[…]
[124]
[…]