Versunkene Kirche
Die Wasserfräulein in Ostelsheim
Das Nillenweible
Der Adlerwirt
Der Eberhardtle
Suppenäcker, Brotäcker, Gansacker
Bauernadel
Alte Rechte
Rechte zu Kentheim
Die Koselbarbel
[117]
[…]
V o l k s t ü m l i c h e s: S a g e n A b e r g l a u b e n B r ä u c h e
V I I I
1 S a g e n 1)
1 Versunkene Kirche
Nahe dem Orte Möttlingen OACalw soll einst eine Kirche gestanden haben. Wisen vererbten noch iren Namen, wie wir es nicht gar selten finden: sie heißen „in St. Leonhards-Kirchenwisen.“ Die Kirche sei dereinſt versunken. Drei Tage hindurch nachher hörte man läuten in der Tiefe. Der Name der Ackerzelg heißt ‚Fleckenacker‘. Mündlich.
Wir haben hier eine jener vilen Sagen von versunkenen Kirchen, Klöstern, Schlössern. Der Grund des Versinkens ist Frevel der Einwoner oder Besizer, hier aber felt derselbe. In der Reformationszeit sowie im 30järigen Kriege verschwanden hunderte von Kirchen auf Feldern als Opfer allzugroßen Eifers über Nacht.
Die Sage nam sich irer an.
↑
2 Die Wasserfräulein in Ostelsheim
Auf der ‚Dolwise‘ ist der ‚Dolbrunnen‘ eine Quelle, zu deren Faßung noch keine Hand des Menschen das irige tat. Da herauß, erzälen alte Leute, kamen drei schöne Jungfern zur Lichtkarz ins Ort herein. Einmal verspäteten sie sich, Bursche hielten sie auf. Bei der Rückker giengen die Buben mit. Da vertrauten inen die Jungfern, sie müsten jezt sterben, weil sie über ire Zeit ausgebliben wären, tauchten unter im Brunnen, und reichten noch einen Strowisch heraus mit dem Deut: nemen sie in, so seien sie gerettet, d. h. die Bursche, denn sie waren ebenfalls dem Tode verfallen. Der Brunnen lief 3 Tage lang blutig rot. Die Bursche haben den Strowisch weggeworfen. Mündlich vom Schultheißen Stahl.
↑
—
1) Die folgenden neun Nummern bilden den Schluß der Calwersagen, die mein l. Freund und unermüdlicher Mitarbeiter gewissenhaft selbst an Ort und Stelle gesammelt hat. AB
[118]
3 Das Nillenweible
Auf der hohen ‚Nille‘, einer Bergkuppe bei Stammheim, get die Sage, hause das ‚Nillenweible‘ eine Frau mit langen Zöpfen. Sie ist Kinderschrecken. Wer sie ist oder war, weiß niemand mer. Ein Geist ‚Ludleshans‘ get dort in der Gegend und werden gleichfalls die Kinder damit geängstigt. Mündlich von Stammheim
‚Nill und Noll‘ sind fränkisch-alem. Höhennamen.
↑
4 Der Adlerwirt
Im alten Adlerwirtshaus zu Stammheim, jezt Wundarzt Sattler eigen, soll der alte Adlerwirt geistweise umgen. Er haut nachts mit einem Säbel um sich, daß es tönt und rauscht. Seit ungefär 20 Jaren läßt er sich nicht mer hören. Mündlich.
↑
5 Der Eberhardtle
In Gechingen, woʼs Gültlingen zuget, ist ein Wald und der heißt ‚Wetzer‘. Da spukt ein Geist, den die Leute schon gesehen haben. Er sei sogar mal neben einem Manne hergeritten. Man hält in für den längst verstorbenen Waldschüzen Eberhardt und heißt in darum auch nur den ‚Eberhardtle‘. Mündlich von Gechingen
↑
6 Suppenäcker, Brotäcker, Gansacker
Die Suppenäcker und die Brotäcker auf der Markung Holzbronn sollen iren Namen davon haben, daß in der teuren Zeit die Besizer dise Aecker um eine Suppe, beziehentlich um einen Laib Brot verkauften. Der Gansacker, ein Viertel Acker auf der Markung Deckenpfronn, soll damals um eine Gans verkauft worden sein. Mündlich.
↑
7 Bauernadel
Von der Wise, genannt Altig auf der Markung Dachtel, welche ein ser guter Grasplaz ist, sagt man, „vor dem Bauer, der in der Altig drei Stücke besaß, habe man einem alten Lagerbuch (oder Herkommen) zu Folge die Kappe lupfen müssen.“ Mündlich, Dachtel
↑
8 Alte Rechte
In Althengstett bestehen drei sogenannte Frônäcker, wovon der eine westlich vom Ort, der andere hinter dem Pfarrhaus, der dritte in der Nähe des jezigen Banhofs ligt. Dise Fronäcker [119] hatten järlich 22 Simri Dinkel und 11 Simri Haber an das Kloster Hirsau zu gülten, wofür sie gewisse nicht unerhebliche Rechte hatten. Der Gemeindepfleger Angersofer versichert, er habe von seinem Vater gehört, wenn die Althengstetter wüßten, was für ein Recht die Fronäcker hätten, so könnten sie mit silbernen Pflügen faren. Mündlich
↑
9 Rechte zu Kentheim
Zu Kentheim bei Calw, das durch sein uraltes Kirchlein (St. Candidus) bekannt ist, get die Rede, wenn sie, die Kentheimer, von iren Rechten Kenntnis hätten, so gehörte inen der Statswald Dickemer-Berg, dann könnten sie alle mit goldenen Pflügen faren. Mündlich, Sommenhardt. Karl Doll
↑
[…]
[120]
[…]
[…]
[277]
[…]
2 Die Koselbarbel
Der Schultheiß Keck in Aichhalden erzählt Folgendes: Die Koselbarbel, oder Koselbarmel, wie das Volk spricht, trib ir Wesen in Oberweiler und auf den dortigen, gegen Simmersfeld ligenden Feldern. Außerhalb der Felder ligt ein Wald, das Rosteich genannt, in welchem biß vor drei Jaren in unmittelbarer Nähe der Felder und hart am Wege eine alte hole Buche stand. In diser Buche hatte die Koselbarbel, wie allgemein behauptet wird, iren Aufenthalt und noch vor wenigen Jaren ging zur Nachtzeit Niemand gerne dort vorüber, weil die Gegend zu unsicher war. Von disem Baume aus begab sich die Koselbarbel Abends über die Felder gegen Oberweiler herein, wobei sie unter mereren Güterwegen vornemlich zwei wälte, ganz besonders gern aber den Simmersfelder Weg bevorzugte. Oft kam sie auch kreuz und quer über die Felder. Kam sie zur Herbstzeit des Weges, so machte sie vilfach an einem Haberfelde Halt und streifte Haber von den Halmen, worauf sie dann iren Weg fortsezte, entweder quer über das Gefilde biß zur Ortstafel von Aichhalden, weiter herein kam sie nie, oder biß nach Oberweiler hinein, wo sie sich in der Regel auf einen gewissen Brunnen oder auch auf einen Zaun niederließ. Kam Jemand des Wegs, so gieng sie gewönlich weiter. Man sah übrigens stets nur ein Lichtlein, keine bestimmte Gestalt. In den Adventszeiten sah man sie oft in Gesellschaft viler anderer Geister, welche mitunter, hurtig auf einender zu und in die Höhe furen, weswegen man wahrscheinlich die Straße von Oberweiler nach Aichhalden noch heutigen Tages die Heergasse nennt (?). Leute, welche Nachts vom einen Ort nach dem andern giengen, verirrten gewönlich; es kam vor, daß solche die ganze Nacht über auf den Oberweiler Feldern umherirrten, biß in Aichhalden die Frühglocke [278] läutete, dann erst fanden sie sich wider zurecht. Seit 30 oder 40 Jaren hat man von der Sache wenig mer gehört; doch kam es hie und da vor, daß der eine oder der andere die Koselbarbel bestimmt gesehen haben wollte. Sovil ist sicher, daß man in Aichhalden vor dem Namen des Gespenstes noch heutigen Tages Grauen empfindet. KDoll