Stiftungsfest 1890

Das lange Gedicht „Stiftungsfest 1890“ entstand anlässlich der Feier zum vierzigsten Gründungstag der Gesellschaft Schottland, die rechnerisch bereits im Jahr 1889 hätte stattfinden müssen. Überliefert ist sie in der Druckschrift „Aus Schottlands Kneipzeitungen 1849–1909: Festgabe zum 60jährigen Jubiläum, 24.–26. Juli 1909“. Eine Kopie derselben wurde freundlicherweise von Herrn Robin Dietrich zur Verfügung gestellt.

[o.S.]

Stiftungsfest 1890.

Schon hat, ihr lieben Freunde, vierzigmal
Der Wälder Grün den jungen Lenz verkündet,
Seit wir, ein Häuflein treu, doch klein an Zahl,
Die Brust von hoher, freud’ger Glut entzündet,
Das Haupt umloht vom Jugendsonnenstrahl
Den Bund, der Freundschaft hohen Hort, gegründet.
Was wir gewagt, von Zuversicht durchdrungen,
Es ist gedieh’n, der Wurf ist uns gelungen.

Fest war der Grund, auch Stein und Mörtel gut,
So steht das Haus gefügt denn und gemauert
Der Zeit zum Trotz, ob auch die rauhe Wut
Der Stürme seinen Giebel oft umschauert.
Der Jahre Wandel hat es, Frost und Glut
Und manche Drangsal glücklich überdauert
Vom Giebel, wie am ersten Tage sehen
Wir stolz das blau-gold-rote Banner wehen.

Des freu’n wie uns und schmücken unser Haus,
Drum sind wir selbst geschmückt zum Fest erschienen:
Die Alten, ob auch Bart und Stirne kraus,
Sie zogen jungen Muts, mit Jugendmienen –
[o.S.]
Mit Weib und Kind – zusammt den Jungen aus,
Wie sie, dem Geist, der uns vereint, zu dienen.
Und braust der Jubel heute durch die Hallen,
Es ist verdient, er möge rauschen, schallen.

Schottland, dir gelte heute unser Preis,
Die Männer an der Freundschaft Strahl du reifest;
Bezeugt mit Sang und Becherklange sei’s,
Wie mächtig du die Herzen all’ ergreifest.
Die aber, Zeit, die früh du Schnee und Eis
Um lichte Firnen, auf das Haupt uns häufest,
Fleuch nur dahin, es kommen neue Scharen,
Die gleich getreu Panier und Schildspruch wahren.

Als sahen wie ein Feuerwerk versprüh’n,
So sind acht Lustren jäh hinabgeflossen;
Wir sahen Kinder, Enkel um uns blühn
Und tausendfaches Leben rings entsprossen,
Sah’n Reigentänze, lichtes Myrtengrün
Und Hügel auf, die sich vor uns geschlossen.
Wie manchen Bruder mußten wir bestatten,
Zu schlummern still un schwarzer Kreuze Schatten.

Dem Leben wären gern sie noch gesellt,
Auf halben Wege sind sie hingesunken:
Erlöschend starb mit jedem eine Welt,
Wie schnell im Strom verzischt ein Feuerfunken.
Zwei starben jungt den Heldentod im Feld,
Die fremde Scholle hat ihr Blut getrunken,
Uns aber laßt den Treuen heute schenken
Ein still, ein dankbar, weihevoll Gedenken.

Acht Lustren sind es! Welch gigant’sche Zeit
Erstand und schloß ein Ring sich vor uns allen!
Wie Wetterschwüle zuckend sich befreit,
Ert leis erbraust’s, zuletzt wie Donnerhallen.
So durch die Lüfte fuhr gewalt’ger Streit,
Wie sah’n die Erde beben, Throne fallen;
Wie Weltposaunen hörten wir’s erklingen
Und Völker sah’n wir um ihr Dasein ringen.

Wir sah’n den Süden steh’n im blut’gen Brand,
Den Sarden bei Custozza fast erdrücken,
Des Sieges Preis, zwei schwere Kronen pflücken,
[o.S.]
Als König eint er so das ganze Land,
Und Rom auch muß das Diadem ihm schmücken,
Und staunend sah die Welt, doch unbekümmert
Auch Petri Patrimonium zertrümmert.

Im Norden ließ die stolze Gesion
Am Himmel Deutschlands Morgenröte flammen,
Auf Düppels Schanzen brach der alte Hohn,
Der lahme, morsche Bundestag zusammen;
Vom Böhmen klang, vom Main her Donnerton,
Und lorbeerlos an ungezählten Schrammen,
Krankt Oestereich; mit Austria doch scheidet,
Die Zwietracht, die sie schwesterlich begleitet.

Wir sah’n die Frankenmeute gierentfacht,
Die Hälse recken, um ins Land zu stürmen,
Wir sah’n sich endlos Deutschlans Heeresmacht
Gen Gallien wälzen, wie sich Wolken türmen,
Wir sah’n blutrot entlodert, Schlacht um Schlacht,
Sah’n sich die Feinde krümmen gleich Gewürmen,
Wörth, Metz, Sedan, Paris – es war ein Fliegen,
Nein, ein Triumphzug war’s von Sieg zu Siegen.

Im Staub zertreten lag Napoleon,
Doch, phönixgleich, aus Rauch und Trümmern mächtig
Erstand das Reich, der deutsche Kaiserthron
Vom Glanz und Licht umwoben sonnenprächtig.
Wilhelm, der greise Held, bestieg, sein Sohn,
Sein Enkel ihn, der jung, doch ernstbedächtig,
Der wie der Ahn’ ein Held verspricht zu werden,
Gott fürchtend und sonst nichts auf dieser Erden.

Ein elend Weib, das vor dem Tag sich scheut
Im Winkel kauernf, spottbedeckt, gemieden,
Verachtet war ja stets Germania – heut
Ist ihr als Königin zu steh’n beschieden,
Die schwertgegürtet einer Welt gebeut,
Hoch haltend in den Händen Krieg und Frieden.
Der das vollendet, ew’gen Ruhms Genossen,
Hält jetzt das Grab, der Sachsenwald umschlossen.

Welch eine Spanne Zeit! Begnadet, wer
Sie miterlebt, die große wunderbare
Drum, Schottlands Fahne folgend bis hierher
[o.S.]
Freu’n wir uns doppelt unsrer vierzig Jahre.
Wir kämpften mit, das Herz oft band und schwer,
Ob Glück und Heil, ob Leid uns widerfahre,
Doch stets noch ist der Mann zum Ziel gedrungen,
Und stets, was treu begonnen, auch gelungen.

Nun eins noch, junge Freunde, hört mich an:
Seid Männer, ganz und echt, wie Gold gediegen,
Ehrt Recht und Wahrheit, flieht der Lüge Bann,
Seid maßvoll, schlicht, verläßlich, treu, verschwiegen,
Nie brecht gegeb’nes Wort – ein Wort ein Mann –
Und laßt an Edelmut euch nie besiegen!
Steht fest zum Vaterland, dem ihr entsprossen,
Und, wo die Pflicht ruft, folget unverdrossen!

Den Bund der Freundschaft haltet hoch! es kann
Nicht schönre Höh’n der Menschengeist erfliegen,
Als daß er liebe, was ihn liebgewann,
Als Freunden sich fürs Leben anzuschmiegen.
„Ein ganzer Freund nur wird ein ganzer Mann,“
In diesem Zeichen, Schottland, wirst du siegen.
So grüne denn und treibe frohe Blüten
Und möge Gott, mein Schottland, dich behüten!

                                                         a. H. v. Doll.