Schwäbisches Dichterbuch

Eduard Paulus und Carl Weitbrecht (Hrsg.): Schwäbisches Dichterbuch. Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1883.

Eduard Paulus und Carl Weitbrecht (Hrsg.): Schwäbisches Dichterbuch. Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1883.

Das „Schwäbische Dichterbuch“ war eine von Eduard Paulus und Carl Weitbrecht herausgegebene Lyriksammlung, die einen Überblick über die damalige zeitgenössiche Dichterszene in Württemberg gab. Es beinhaltete ausschließlich zuvor unveröffentlichtes Material, beiteiligt waren nahezu alle namhaften und zahlreiche weniger bekannte Autoren, auf die das Etikett „schwäbisch“ passte: Friedrich Theodor Vischer, Karl Gerok, Georg Jäger, Emil Engelmann, Adolf Grimminger, Isolde Kurz, Dolls Schulfreund Heinrich Capler von Oedheim genannt Bautz alias Heinrich von Oedheim sowie die beiden Herausgeber selbst und viele mehr. Gedruckt wurden 600 Exemplare, eine angedachte zweite Auflage kam nicht zustande. Während die Kritik in heimischen Gefilden positiv ausfiel, erschien in der Berliner „Gegenwart“ eine recht bissige Rezension (No. 46/17. November 1883).

Doll steuerte insgesamt acht Dichtungen bei, darunter vier in Distichen, welche zum Teil bereits in den 1860er-Jahren entstanden waren. Das Sonett „Im Schwarzwald“ war zuvor bereits unter dem Titel „Streifregen“ in den „Sonetten vom Schwarzwald“ erschienen.

Das „Schwäbische Dichterbuch“ ist als Digitalisat bei alo (austrian literature online) verfügbar.

Stechpalme
Seliges Leben
Der Spritzenmeister
Im Schwarzwald
Das Brennusschwert
Göttliche Rast
Das Kind und die Donau
Bitte

[21]

Karl Doll.


Stechpalme.

Glänzend ist das Laub, doch düster,
Dornenspitz und scharf sein Rand,
Hart und herb das Blattgeflüster,
Knirschend, wie zertretner Sand.
Seitwärts in des Waldes Lücken
Nimmt sie schweigsam ihrem Stand,
Purpurbeeren aber schmücken
Sie, gereift im Sonnenbrand.

Ferne steht sie den Genossen,
Wie der Mann voll Kraft und Muth,
Ruhig, ernst und stolz verschlossen,
Den gestählt des Lebens Glut;
Manchen bittern Stachel trieben
List und Lug ihm tief ins Blut,
Doch nicht irre ward sein Lieben,
Gott und Menschen blieb er gut.

[22]

Sicher wird ein Los dir fallen
Deiner würdig, voll und ganz,
Nicht das Los, in Waldeshallen
Zu verwehn im Blättertanz:
Du, des Lorbeers deutsche Schwester,
Meidest Ruhm und Glück und Glanz,
Theuren Gräbern um so seltner
Schmiegst du dich als Todtenkranz!




Seliges Leben.

Selig, wem ein blühend Los
Aus des Lebens Urne steiget,
Wer den lichten Duft gekostet,
Ehe sich der Tag ihm neiget!

O, so gern vom Himmel thaut
Auf das Herz der goldne Regen;
Brauchst die Arme nur zu breiten,
Rings in Fülle quillt der Segen.

Stürze dich dem jungen Tag
Mit entblößter Brust entgegen!
Gleich dem Falter schwärme, flüchte
Zu den sonnigsten Gehegen!

Goldne Blüte, goldne Frucht
Streife kühn von jedem Zeige;
Willst den Himmel du gewinnen,
Aufwärts mit der Lerche steige!

[23]

Laß des Flusses Perlen dir
Zittern um die schlanken Glieder,
Und ambrosisch sei den Rasten
Unter Rosen, unter Flieder.




Der Spritzenmeister.

Wie auf seinem Schlachtenwagen
Trotzig Spartas Krieger stand,
Also siehst du hoch ihn ragen,
An dem blanken Rohr die Hand.
Feuerbrände lodern prächtig,
Blutroth liegt ihr Widerschein
Auf den bangen Häuserreihn,
Doch die Springflut prasselt mächtig
In das Flammenmeer hinein.

Wie die Brandglut ihn umleuchtet!
Jetzt umwogt ihn schwarzer Dampf
Dick und brenzlicht, und es feuchtet
Seine Stirn der harte Kampf.
Doppelt Tagwerk drückt ihn heute:
Der sich mit des Hammers Kraft
An der Esse müdgeschafft,
Wehrt der Glut nun ihre Beute,
Und sein Arm ist unerschlafft.

Wie ein Feldherr, wie ein König
Blickt er aus, und wenn er ruft,
[24]
Sind ihm Wassers Mächte fröhnig
Und die Geister aus der Luft.
Alle folgen der Beschwörung;
Doch gezwängt in enge Haft,
Stemmen sie sich riesenhaft,
Aufruhr sinnend und Empörung,
Feinde mit vereinter Kraft.

Sinnlos Wüthen! Denn dazwischen
Trifft des Herrschers Wort ihr Ohr,
Unter Winseln, Stöhnen, Zischen
Braust empor der trotz’ge Chor;
Die kristallnen Leiber brechen
Schlanker als ein Palmenrohr
Unter seiner Hand hervor,
Und, die Lohe zu besprechen,
Schleudert er sie hoch empor.

Und er meistert sie, die Brände;
Dunkler immer wird die Nacht,
Bis das Wek sich neigt zum Ende
Und gewonnen ist die Schlacht.
Mann des Volkes, vielgeschäftig,
Heil dir, der in edlem Drang
Dünkelfrei sein Scepter schwang,
Der, ein neuer Siegfried, kräftig
Hundertköpf’gen Drachen zwang!

[25]


Im Schwarzwald.

Die Wipfel, sausend, neigen sich im Winde,
Des Spechtes Hämmern klingt, es schreit der Häher
Und wie vom Weih geschreckt, dem scharfen Späher,
Verstummt des Walds sangkundig Ingesinde.

Es knarrt der Zweig, es knistert, springt die Rinde,
Im Thal umsonst nicht sputen sich die Mäher:
Ein Wetter droht, die Wolke wälzt sich näher
Und breitet sich; schon regnet es gelinde.

Grell leuchtend steht der Wald, die Tropfen rauschen,
Und hoch darüber steht ein farbʼger Bogen.
Welch ein Genuß, der Regenpracht zu lauschen!

Nun läßt es nach. Die Wolken sind verflogen.
Man hört die Vögel Ruf und Lieder tauschen
Und spürt von Opferduft den Wald durchzogen.

[26]

Distichen.


Das Brennusschwert.

Trotzig warf in die Wage sein Schwert der gallische Feldherr,
  Daß es klirrte, da sprang stattlich die Schale hinab.
Dichter, jegliches Wort, das du prägst, es sink’ in die Schale
  Klangvoll, wuchtig und Gold wieg’ es, ein Brennusschwert, auf.




Göttliche Rast.

Willst du den strahlenden Tag, das süßeste Wunder des Lenzes
  Recht durchkosten, ein Gott, der auf dem Lotos sich wiegt:
Wo sich der Laubgang schlingt und die himmlische Bläue durch goldne
  Ranken schimmert, o da halte du göttliche Rast.
Laß an leuchtenden Rosen das Auge sich freun, in die Seele
  Flute dir Geibel Musik, hauche dir Mörike Duft.

[27]


Das Kind und die Donau.

Blumen zu pflücken zum Strauß fürs Mütterlein, giengst du, o Knabe,
  Aber Frau Done, die Nix, lockte das Sträußchen dir ab.
Lassen wolltest du’s nicht, es war ja der Mutter: der Mutter
  Brachten als Leiche sie dich, welkende Blume, nach Haus.




Bitte.

Dreierlei fleh’ ich, o Himmel: Es sei mein äußeres Auge,
  Gleichwie das innere, stets offen und ruhig und klar,
Dann: es stehe mein Herz, ein duftiger Garten, in Blüten
  Seliger Liebe, daß nie, Holde, dein Bild mir verweht.
Aber zum Dritten dies: naht meiner Stunden die letzte,
  Alles was heilig und groß hier ich im Leben erkannt,
Mög’ es im letzten Moment aufflammen und über die Seele
  Ziehn, daß sie freudig, ein Stern, leuchtend im Schauen, entwallt.