Sonette aus Calw

Die „Sonette aus Calw“ erschienen zunächst ohne Angabe eines Verfassers im „Unterhaltungsblatt“, einer Beigabe zum „Calwer Wochenblatt“, die für den betreffenden Zeitraum wohl als verschollen gelten muss. Später gab Doll die Dichtungen in einem kleinen, fadengebundenen Heftchen mit gelbem Papiereinband gesammelt heraus. Aus diesem geht weder hervor, wo es gedruckt wurde, noch wann es erschienen ist. Der Zeitraum lässt sich jedoch auf die Jahre 1875/76 eingrenzen. Die vorliegende Edition richtet sich nach diesem Heft, dessen einziges heute bekanntes Exemplar sich in der Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs in Marbach am Neckar befindet.

Einige der Sonette erschienen auch in Georg Jägers „Schwäbischer Lieder-Chronik“.

Calewa
Einst und jetzt
Angulus ille
Schienenwege
Bahnhof
Stadtwärts
Vor dem Rathhaus
Nachtstück
Bischoff
Kapelle zu St. Nikolaus
Georgenäum
Dasselbe
Kirche
Brühl
Auf der Höhe
Schattenseiten
Die Nagold
Schlossberg
Turnhalle
Verlagsverein
Rückblick
Beschluß
Den scheidenden Richtern I
Den scheidenden Richtern II
Den scheidenden Richtern III

Sonette aus Calw
von K. Doll.

Widmung.
dem Herrn
Dr. Emil Schüz
in Calw.


I.


Calewa.

Ein freundlich Schwarzwaldkind mit duft’gen Wangen,
Dem kühle Wasser leis den Fuß bethauen,
So ruhst du zwischen lichten grünen Auen,
Von echter Schönheit wunderbar umfangen.

Du trägst nach keiner Huldigung Verlangen,
Wiewohl an Reiz du stehst vor stolzern Frauen.
Doch soll, was fremd nur, sich verherrlicht schauen?
Venezia, Roma nur gefeiert prangen?

Zwar blüht kein Lorbeer deinen Felsenklüften,
Zwar magst du nicht in Gold und Marmor glänzen,
Noch fließt dir Sammt und Purpur um die Hüften.

Und dennoch ziemt es, dir die Stirn zu kränzen:
Komm, schling’ ins Haar, laß voll von Waldesdüften
Hier diesen Eichzweig deinen Werth ergänzen.




II.

Einst und Jetzt.

Wie schmiegst du sanft, mit wonnigem Behagen
Dich hügelan, wo traute Schatten wohnen!
Die Sonne selbst will freundlich deiner schonen.
Nachdächtest du vielleicht vergangnen Tagen?

Schön war es ja, da Thurm an Thurme ragen
Man schaute, stolz gezackte Mauerkronen;
Als deine Bürger nach entfernten Zonen
Der trauten Heimat Namen einst getragen.

Doch freier, schöner dünket mir das Heute,
Du Schwarzwaldperle, der in vollster Schöne
Der alte Reiz sich wundersam erneute.

Wer sagt mir, ob Natur dich würd’ger kröne,
Die keinen Aufwand, dich zu schmücken, scheute,
Ob Edelsinn und Liebe deiner Söhne?




III.


Angulus ille.

Ob an der Halde, wo die Bienen schwärmen,
Am Strand du weilst, den weiße Wellen schlagen,
Ob hoch am Bergrand, wo die Lärchen ragen,
Hier schweigt der Seele tiefgeheimstes Härmen!

Der großen Welt entrückt und ihrem Lärmen,
Begeistert opferst du den goldnen Tagen.
Das ist der Ort, nach Müh’n und heißem Jagen
Die Stirn zu kühlen, Geist und Herz zu wärmen.

Doch wenn des Tages Glanz und Glück verflogen,
Bis in die Gassen dringt davon die Kunde,
Die hallenden, vom Waldeshauch durchzogen.

Zur Schale, so für Kranke wie Gesunde
Voll Labsal, rundet sich des Thales Bogen,
Wohl werth, dass man sie schlürfe bis zum Grunde.




IV.


Schienenwege.

Der Ruf erscholl: Dem Dampfross eine Gasse!
Und tausend Hände, tausend Hämmer schwingend,
Ermannten sich, die dunklen Mächte zwingend,
Da stob wie Glas der Felsen rothe Masse.

Nun klimmt die Riesenschlange, von Terrasse
Im weiten Ring sich zu Terrasse schlingend,
In Lüften bald, bald durch die Erde dringend,
Thurmhoch, dass sie des Berges Grat erfasse.

Fürwahr ein Wunder ist es, zum Entzücken,
Auch wird, so du dich dem beschwingten Rade
Vertraust, dich wundersüße Schau beglücken.

Doch acht’ ich mehr die sanftern Eisenpfade,
Die, vollen, echten Völkertausches Brücken,
Im Thale ziehn, am grünen Flußgestade.




V.

Bahnhof.

In dieser Stille, berg- und waldumgeben,
Was soll der Bau, so stolz gethürmt die Flanken,
Mit seinen Säulen, den metallnen, schlanken,
Hier, wo nur unsichtbare Geister weben?

Ein Kleines, und das volle, bunte Leben
Durchbricht, wie Fluth auf Ebbe folgt, die Schranken,
Ein rastlos reges Fluthen, Streben, Schwanken,
Ein Suchen, Finden, Nahen und Entschweben.

Gegrüßt mir, Bahnhof! vielumwogte Mauern,
Von Haß und Hader nimmer doch berühret,
Die voller Gier selbst an Altären lauern.

Dich hat so recht am Ort, der dir gebühret
Inmitten der Natur erhabnen Schauern,
Du Friedenshort, der Meister aufgeführet.




VI.

Stadtwärts.

Den Felsenvorsprung krönend, schaut zu Thale,
Der Arche gleich, da sich die Fluth verloren,
Ein frommes Haus, zu hohem Dienst erkoren,
Beschienen von der Sonne schönstem Strahle!

Wie fremdes Elend dir zum erstenmale
Die Blümlein darbringt, die der Lenz geboren,
So dir zum Auge dringt, so klingt zu Ohren
Der erste Gruß von dort − vom Hospitale.

Ein gutes Omen. Aber jetzt verdrieße
Dich nicht der Thorweg, der so schmal zur Stund ist,
Als ob er deinen Schritten sich verschließe.

Dieß Zeichen auch ist gut, sofern dir kund ist,
Das Heil auf e n g e m Pfade nur dir sprieße
Und daß kein Ding hienieden ohne Grund ist.




VII.

Vor dem Rathhaus.

Bildwerke nicht von Erz und Alabaster
Erschaust du, noch marmorne Brunnenbecken;
Nur spitze Dächer mag der Blick entdecken,
Ein ziemlich nüchtern ehrlich deutsches Pflaster.

Hier tragen kurze, stämmige Pilaster
Ein stattlich Haus mit schmucken Giebelecken. −
Ob dort sich seltne Schätze wohl verstecken? −
Ja, Bücher, Akten, staubige Kataster!

Denn vor dem Rathhaus stehst du. Vielbesagend
Hält Wacht ein Leu davor, vom Brunnensteine,
San Marco’s ähnlich, nur nicht Flügel tragend.

Ein deutsches Bild! Statt vieler nehmt das Eine,
Nicht blendend, riesiggroß gen Himmel ragend;
Doch traulich dünkt die Stätte dir wie keine.




VIII.

Nachtstück.

Wenn fahl im Mondschein Platz und Gassen blinken
Und Schatten wechseln mit dem Licht, dem blassen,
Scharf abgegrenzt zur Rechten dunkle Massen
Gespenstisch ragen, schimmernde zur Linken:

Da ist es fast, ob Märchenhände winken,
Ob Träume zaubrisch in das Herz dir fassen.
Im Brunnen rauscht das Echo halbverlassen,
Das eben auch in Schlummer möchte sinken.

Zu solcher Zauberstunde schreit ich gerne
Den Markt hinan, dem Hall der Tritte lauschend,
Gegrüßt vom Silberblick der ew’gen Sterne.

Da haucht der Vorzeit Geist, vernehmlich rauschend,
Mich an, und mich entrückt er ferne, ferne,
Das Jetzt mit Bildern alten Ruhms vertauschend.




IX.

Bischoff.

Wie hier der Sonne lichte Strahlen brennen!
Säh nicht im Tannenschmuck die Bergeskrone
Herab, du wähntest dich in andrer Zone,
Du möchtest hier ein südlich Bild erkennen.

Kaum von der Stelle wagst du dich zu trennen.
Stromüber winken schlanke Pavillone,
Wallt Rosenduft, der Hauch der Anemone −
Das ist die Riva, so sie Bischoff nennen.

Und hier der Steinbau! Traun, es knüpft an diesen
Ein Name sich, gar werth und hoch zu achten,
Der fortan allzeit im Land gepriesen.

O S t ä l i n , daß dich Schatten schon umnachten!
Echt hast du stets dich wie das Gold erwiesen,
Das du geschürft uns aus der Vorzeit Schachten.




X.

Kapelle zu St. Nikolaus.

Tief unten zieht die grüne Nagoldwelle,
Die lachende, vorüber, deren Rücken
Ergraute Quaderbogen überbrücken.
Vom Pfeiler glänzt im Lichte die Kapelle.

So manchen Dom beschämt die kleine Zelle,
Den herrlich, zu der Künstlerwelt Entzücken,
Der Theile Maß, der Formen Fülle schmücken,
Nur fehlt die rechte Weihe seiner Schwelle.

Ihr aber ist der Zauber nicht veraltet
Der Pietät, der frommen, jener Zeiten,
Da Valentin Andreä hier gewaltet.

Des edlen Kleinods drum, des benedeiten,
Ihr Nischenheilge, habt wohl Acht und haltet
Unheil entfernt, wenn hoch die Wogen schreiten!




XI.

Georgenäum

Inmitten dunkeln, waldumkränzten Hanges,
Der schützend hier zur sanften Bucht sich ründet,
Prangt, wie ein Stern am Himmel hell entzündet,
Ein blanker Bau, hochragend, hohen Ranges.

G e o r g e n ä u m , Name süßen Klanges!
Der späten Nachwelt wird es noch verkündet,
Dich hat der Besten Einer hier gegründet,
In der Begeist’rung edeln Schöpferdranges.

Als Zier, als Krone bist du mir gepriesen
Nicht dieser Stadt nur, nein, soweit die Halle
Des Waldes reicht mit ihren Säulenriesen.

Doch Der entzündet auf dem hohen Walle
So seltnen Glanz, unsterblich ehret Diesen
Ein Denkmal, dauernder als von Metalle.




XII.

Dasselbe.

Empor der freien Treppe schmucke Stufen!
Zween Recken stehn, der Mann der Ideale,
Der Mann des Lebens, neben dem Portale,
Ein mahnend Werk, das Künstlerhände schufen.

Zu schön’rem Dienst ist kein Pallast berufen:
Die Weisheit waltet hier mit ihrem Strahle.
O fern den Räumen, ferne diesem Thale
Sei Waffenlärm und Schlag von Rosseshufen!

Des Wissens, der Gesittung heil’ger Tempel,
Ergieß, o Haus, dein Licht in alle Weiten,
Erhabnen Sinnes Denkmal und Exempel.

Der Jugend, dem Geschlechte künft’ger Zeiten
Drück’ auf die Stirn des Geistes klaren Stempel,
Daß königlich es fürder möge schreiten




XIII.

Kirche.

Wie bin ich dir, Basilika, gewogen,
Dem goth’schen Chor, umrahmt von hellen Linden!
Dir küßt die Sonne, glühend, im Entschwinden
Pilaster, Sims und schlanke Fensterbogen.

Doch grau, die Stirn wie trauerüberflogen
Stehst du, mit Augen, trübe zum Erblinden,
Zerrissen die Gewandung von den Winden,
Um deiner Jugend Zierde längst betrogen.

Laßt klaffen nur die Staffel und zerfallen
Gewölb und Wände stetig sich zerklüften;
Umsonst doch nimmer standen diese Hallen.

Von Himmelsglanz umhaucht, von Frühlingsdüften,
Durchschauert noch in Trümmern sie das Wallen
Des Gottesodems, säuselnd in den Lüften.




XIV.

Brühl.

In dieses Mittags träger Sommerschwüle
Welch bessre Zuflucht kannst du dir bereiten?
Drum auf, o Freund! komm wolle mich geleiten
Zum Prater Calws, zum wispelreichen Brühle.

Da wandelst du in wundervoller Kühle,
Grüngoldne Blätter, sonndurchglühte breiten
Zu Häupten sich, Streiflichter zittern, gleiten
Vor dir im Sand, der Tritte lindem Pfühle.

Dem lichten Leben ist dein Sinn erschlossen:
Froh schlürf es hier, denn sieh, hier schäumet über
Der volle Kelch, um Thal und Höhn ergossen.

Doch ist gestimmt dein Herz zuweilen trüber:
Der kleine Camposanto, lichtumflossen,
Sieh, grüßt mit weißen Armen sanft herüber.




XV.

Auf der Höhe.

Sanft schlängelt sich den Berg hinan, den steilen,
Ein sammt’ner Pfad zur obersten Terrasse.
Wie gern ich hinter mir die Tiefe lasse,
Den Höhn, den fichtenduftgen, zuzueilen!

Das ist ein urfrisch, wonnesam Verweilen,
Ob erst durch Waldnacht führe meine Gasse,
Ob vom Kiosk der freie Blick erfasse
Gelände, Fluß und sonn’ge Häuserzeilen.

Hinaus zur Ferne strebt die Seele trunken,
Erfüllt, bewältigt von dem Ewigschönen,
In dessen stillen Frieden sie versunken.

Da braust genüber mit gewaltgem Dröhnen
Der Zug, auswirbelnd Rauch und rothe Funken:
Da packt das Leben dich mit Donnertönen.




XVI.

Schattenseiten.

So ist denn wirklich alles nur zu loben
Und nirgends Raum auch für die kleinste Rüge?
Was frommt ein Achselzucken, eine Lüge,
Dafern ich doch der Wahrheit nicht enthoben?

Da sind, von der Idylle Dunst umwoben,
Gewisse ländliche Charakterzüge −
Mehr sag ich nicht, mein ehrlich Reimgefüge
Soll ja sich als Satyre nicht erproben.

Und dann die lieben, theuren Pflastersteine
In unsrer erdölgasentflammten Lichter
Vierfältigem Apollokerzenscheine.

Doch still! ihr möchtet sonst als Splitterrichter,
Ja, grob mich schelten, und doch spricht alleine
Der Schalk, sich regend im Sonettendichter.




XVII.

Die Nagold.

Wer sollte Freude nicht an dir empfinden,
Schaut er vom Brückenrand auf deine Welle,
Drin sich die Sonne spiegelt lachend helle,
Drin Berg und Baum sich freundlich wiederfinden?

Enteilend glücklich all den Thalgewinnde,
Hüpfst du so munter, leicht wie die Gazelle;
Die Wälder, still umgrünend deine Quelle,
Ziehn froh dir nach in stattlichen Gebinden

Was bist du dieser Stadt seit alten Tagen!
Du sahst sie werden, blühn, berühmt geworden
Durch ihres Handels Fleiß und kluges Wagen

Du sahst sie flammend lodern, Dank den Horden
Der Welschen, deren Schmach sie mußte tragen,
Die Deutschlands Arm nun fernhält deinen Borden.




XVIII.

Schlossberg.

Gleichmäßig, wie von Menschenhand geschichtet,
Sieht man und stolz den hohen Hügel ragen.
Der schimmernd einst ein Grafenschloß getragen,
Trägt nun ein Häuschen, einsam dort errichtet.

Dem Walde gleich, der bis zum Grund gelichtet:
Von Denen, die hier zu gebieten plagen
Weitum als Herrn, weiß kaum die Mär zu sagen,
Vom Sturm der Zeit ist Sproß und Stamm vernichtet.

Doch traure nicht, o Berg! Den Scheitel krönet
Ein bessrer Schmuck dir, der mit Weiheschauern
Dein Haupt berührt und es verjüngt, verschönet.

Des Reiches Glanz, um für und für zu dauern,
Dem hell des deutschen Volkes Jubel tönet,
Strahlt auch ob dir und deinen kargen Mauern.




XIX.

Turnhalle.

Im Ehrenkranz, den sich die Stadt gewunden,
Das schönste Blatt ist, daß ihr angelegen,
Der Jugend Sinn, der Jugend Geist zu pflegen.
Auch diese Halle möge dieß bekunden.

Zwar Spiele, für des Körpers Heil erfunden,
Beut sie, doch nicht allein des Körpers wegen:
Denn nur wo leiblich der Gesundheit Segen
Und Kraft erblüht, mag auch der Geist gesunden.

So trachtet denn, die Kraft, den Geist zu mehren,
Ringt, werft die Scheibe, schwingt den Ger, die Lanze!
Eins aber darf kein deutscher Mann entbehren:

Des Vaterlandes volle Liebe pflanze
Ins Herz sich Jeder, soll das Volk ihn ehren,
Und halte hoch das eine, große, ganze!




XX.

Verlagsverein.

„O laßt die Kindlein alle zu mir kommen,
Denn solchen ist des Vaters Reich beschieden!“
Verschollen nicht ist dieses Wort hienieden
Und manche Brust ist hell davon entglommen.

Froh hast auch du zu Herzen es genommen,
Wohl dir, o Barth, du Mann voll Gottesfrieden,
Der du Beschwer und Kämpfe nicht gemieden,
Daß allen die Verheißung möge frommen.

So hast du denn die Stätte hier gegründet,
Von wannen ausgeht über alle Lande
Das süße Wort, das einst der Herr verkündet.

So dringt es zu der Erde fernstem Strande,
Das Licht der Christenliebe, hell entzündet,
Und alle Welt umfangen Bruderbande.




XXI.

Rückblick.

Wohl dem, der nie von dir sich dürfte trennen,
Du traut Asyl, das Alle liebgewonnen.
Dem Gast jedoch, dem seine Frist verronnen,
Ihm wird der Sehnsucht Gluth im Herzen brennen.

Hinan den Waldsteig! noch einmal erkennen
Muß er der Gegend Pracht im Licht der Sonnen.
O klassisch ist sie, sagenduftumsponnen:
Calw, Hirsau, Teinach − braucht es mehr zu nennen?

Wie zwischen Wolkenmassen Sterne strahlen,
So durch der dunkeln, schroffen Forste Lichtung
Die Bildchen, die sich in die Seele malen.

Fahrwohl, o Stadt, durchstreift nach jeder Richtung,
Sammt Wald und Weichbild! dir den Dank zu zahlen,
Verkläre deinen Reiz der Schein der Dichtung!




XXII.

Beschluß.

Fast schüchtern um des Marktes Ecke lugend,
Wer kennt es nicht, das Haus, das wohlgebaute?
Ein Psittich übt sich drin in deutschem Laute,
Entrückt dem Urwaldzauber seiner Jugend.

Dort Glied an Glied und Stein zu Steine fugend’
Erlauscht der Dinge Grund ein Argonaute,
Der sich des Ostens salz’gem Schaum vertraute
Voll Wissensdurst, voll kühner Forschertugend.

Heilkund’ger Meister! dankbar dir zum Schlusse
Geweiht sei diese Calwer Liederkette,
Nicht Perlen, Kiesel nur vom Schwarzwaldflusse.

Für wenig Raum auf deinem Bücherbette
Beut dir vielleicht ein Körnlein von Genusse
Das reimdurchstrahlte Flechtwerk der Sonette.




Anhang.


Den scheidenden Richtern.

I.

Es ist gescheh’n; die Stühle sind zerschlagen,
Das Podium, darauf sie thronten, weggerissen.
Fast scheint es, die sich strengster Pflicht beflissen,
Als müßten der Verbannung Joch sie tragen.

Und niemand ist, der da vermag zu sagen,
Warum uns das geschah − wer sollt’ es wissen?
So muß die Stadt denn ihre Zierde missen,
Durch deren Mauern hallt gerechtes Klagen.

Der Fürstin gleicht sie, der den stolzen Reifen
Vom edeln Haupt gestreift verweg’ne Hände,
Daß nur ein Mal zu schau’n, ein blasser Streifen.

Doch wenn entrückt i h r unsrem Thalgelände
Belebt, indeß nach euch die Blicke schweifen,
Der Geist des Rechts, der eure, diese Wände.




Den scheidenden Richtern.

II.

Und weilten wir in ihrer Mitte selten, −
Was sollte wohl es uns zu hehlen frommen?
Das Eine haben wir sofort entnommen,
Wie reich ihr Geist, ihr Herz, wieviel sie gelten.

So mag denn unser Zeugniß Keiner schelten,
Das aus der Seele tiefstem Grund gekommen:
Traun, alle Herzen schlagen tiefbeklommen,
Nun fremde Ziele winken ihren Zelten.

Für sie was mag uns als Ersatz genügen? −
Zumal nach Einem wird das freudelose,
Verblaßte Heimweh bittres Leid uns fügen,

Nach seinem Worte, duftend wie die Rose,
Nach seinen allzeit freundlich off’nen Zügen,
Nach seiner allzeit freundlich off’nen Dose.




Den scheidenden Richtern.

III.

So sei denn trauter Gruß zum letztenmale
Den Scheidenden aus voller Brust gespendet,
An die wir doch den Willkomm erst gesendet,
Als sie vor Kurzem nahten diesem Thale.

Den Männern weih’n wir unsere Pokale,
Die, wie ihr Richteramt sie treu vollendet,
Den Sinn auch allem Hohen zugewendet,
Uns oft erwärmt, durchglüht mit ihrem Strahle.

Heil ihnen, Heil auch ihren edeln Frauen,
Mehr werth, denn aller Glossatoren Glossen,
Den wonnigen, die wir nun nicht mehr schauen!

Auch jenes Fräulein sei nicht ausgeschlossen,
Die, stillen Sinns hinwandelnd auf den Auen,
Der Freude Licht auf manches Herz gegossen.