Karl Philipp Ferdinand Doll wurde am 18. September 1834 als Sohn des Feldwebels Josef Doll und seiner Gattin Franziska Barbara, geborene Moser, in Stuttgart geboren. Seine frühe Kindheit verbrachte er in der württembergischen Residenz, sein Vater diente im 4. Württembergischen Infanterie-Regiment. Nach dessen Ausscheiden aus der Armee zog die Familie 1844 nach Ulm, wo der Vater eine Anstellung als Kanzleibediensteter erhielt. [1]
In der einstigen Reichsstadt an der Donau besuchte Karl Doll zunächst die Realschule, dann das Gymnasium. Dort erwachte seine Begeisterung für Lyrik, zunächst vor allem für lateinische, und er machte Bekanntschaft mit dem später ebenfalls dichterisch tätigen Heinrich Capler von Oedheim genannt Bautz, mit dem er zeitlebens befreundet war. Zu Ostern des Jahrs 1854 legte er seine Maturitätsprüfung ab und begann schon bald darauf das Studium der Regiminalwissenschaften an der Universität Tübingen. [2]
Student in Tübingen
Der Studiengang lässt sich am ehesten mit den heutigen Verwaltungswissenschaften vergleichen, er war die Voraussetzung für eine Laufbahn im höheren württembergischen Staatsdienst, etwa im Ministerium des Innern, bei einer der Kreisregierungen oder in den Oberämtern. Hier in der Universitätsstadt schloss er sich der damals noch recht jungen Studentenverbindung „Gesellschaft Schottland“ an, die sich heute „Landsmannschaft Schottland“ nennt. Sein Studienfreund und späterer Schwager Friedrich Christian Rüdinger war ebenfalls Mitglied. [3]
Aus seinen Universitätsjahren stammen die frühesten seiner heute bekannten Dichtungen. So verfasste er das „Bundeslied“ der „Gesellschaft Schottland“, das sich an Goethes „Es war ein König in Thule“ anlehnt, ebenfalls für seine Kameraden entstand das „Pauklied“. [4] Zwei seiner Gedichte wurden 1856 in der „Tübinger Chronik“, der damaligen Tübinger Tageszeitung, veröffentlicht. Während das erste – „Wo tanzen wir morgen?“ – noch recht holprig daherkam, handelt es sich bei „Der Deserteur“ um eine durchaus charmante, volksliedhafte Ballade. [5]
Mit der ersten höheren Dienstprüfung schloss Doll im Herbst 1857 sein Studium ab und verließ Tübingen. Es folgte die übliche einjährige Lehrzeit als Regierungsreferendar, von der vier Monate beim Departement des Innern in Stuttgart zu absolvieren waren. Die übrigen acht Monate verbrachten die angehenden Beamten an untergeordneten Dienststellen im Land, bei Doll war es das Oberamt und die Kreisregierung in Ulm, wo seine Eltern noch immer lebten.
Ein „frugales Mittagsmahl“ im Weinsberger Kernerhaus
Nach erfolgreicher zweiter höherer Dienstprüfung nahm Doll ab Frühjahr 1859 zunächst für meist kurze Dauer verschiedene Stellen als Oberamtsaktuariatsverweser an. Hierbei handelte es sich um Vertretungsstellen für erkrankte oder verreiste Oberamtsaktuare, diese wiederum waren die Gehilfen der Oberamtmänner. Deren Stellung lässt sich mit dem Amt heutiger Landräte vergleichen, ihnen oblag etwa die Aufsicht über die Gemeindeverwaltungen im jeweiligen Amt. Neben Anstellungen bei den Oberämtern in Ulm, Balingen und Rottenburg am Neckar war Karl Doll ab Anfang des Jahres 1860 in Weinsberg tätig. Hier lebte der berühmte Arzt und Dichter Justinus Kerner, der sich damals freilich längst im Ruhestand befand.
Kerner lud den jungen Dichter am 14. Januar 1860 ein, mit seiner Familie „ein frugales Mittagsmahl zu verzehren“ [6], was Doll jedoch aufgrund eines Besuchs zunächst ausschlagen musste. Er schrieb, er „werde jedoch nicht säumen, nächsten Sonntag dem Herrn Doktor“ seine „Aufwartung zu machen“. [7] Über die Begegnung ist zwar leider nichts weiter bekannt, doch lässt sich vermuten, dass Kerner Doll ermutigte, seine Dichtungen an seinen Freund Eduard Mörike zur Beurteilung zu schicken.
Dies tat Doll nämlich im August 1860, als er für einige Wochen vertretungsweise in Besigheim angestellt war. Überliefert ist jedoch nur Mörikes Antwortbrief. Er schrieb, die Übersendung der Manuskripte sei ihm ein „so erfreulicher als ehrenwerther Beweis von Zuneigung u. Vertrauen“, er müsse jedoch befürchten, Doll durch seinen Rat „zu kränken oder doch unangenehm zu überraschen“. Er fände zwar durchaus poetisches Talent in seinen Dichtungen, „neben vielen Stücken gewöhnlicher Art manch andre, worin sich Eigenthümlichkeit verräth, die aber noch nicht zu ihrem vollen, ungemischten Ausdruck kommen konnte“. Daher riet er dem jungen Dichter, zunächst nur einzelne Stücke in Zeitschriften zu veröffentlichen und mit der Herausgabe eines eigenen Bands noch abzuwarten. [8]
Oberamtsaktuar in Marbach am Neckar
In beruflicher Hinsicht gab es bald erfreuliche Nachrichten: Doll erhielt im Frühjahr 1861 eine Anstellung als Oberamtsaktuar in Marbach am Neckar. Das feste Einkommen ermöglichte ihm die Hochzeit mit Mathilde Rüdinger, der Schwester seines Studienfreunds Friedrich Christian Rüdinger. Die Trauung fand am 8. August 1861 in Tübingen, der Heimatstadt der Familie Rüdinger, statt. [9]
1864 wandte sich Doll erneut mit einer Manuskriptsammlung an Mörike, der jedoch auch dieses Mal von einer vorschnellen Veröffentlichung abriet. [10] Der junge Dichter schien sich dessen Ratschläge zu Herzen genommen zu haben, denn aus seiner Marbacher Zeit sind bislang keine weiteren Veröffentlichungen bekannt. In Schillers Geburtsstadt blieb die junge Familie die ganzen 1860er-Jahre hindurch, hier kamen die beiden Töchter Anna (1866) und Elise (1868) zur Welt.
Kurz vor Ausbruch des Deutsch-Französischen Kriegs, im Juni 1870, wechselte Doll nach Ludwigsburg, wo er als Kollegialhilfsarbeiter bei der Regierung des Neckarkreises tätig war. Diese Episode dauerte jedoch nur bis September, dann wechselte er in der gleichen Stellung zur Regierung des Schwarzwaldkreises in Reutlingen. Dort wurde er bald darauf zum Assessor befördert. [11]
Doch auch in Reutlingen verblieb die Familie nur zwei Jahre. Im Spätsommer des Jahres 1872 erhielt Doll die vakant gewordene Stelle als Oberamtmann in Calw im württembergischen Schwarzwald. [12] Sein Zuhause war das Oberamtsgebäude am Marktplatz der Schwarzwaldstadt, die damals gerade an das Eisenbahnnetz angeschlossen worden war und sich in kultureller und wirtschaftlicher Aufbruchsstimmung befand.
Calw, das „freundlich Schwarzwaldkind mit duft’gen Wangen“
Hier entstand ein Großteil seines lyrischen Werks und hier begann er, sich mit landesgeschichtlichen und volkskundlichen Themen zu beschäftigen. In seinen Dichtungen setzte er sich nun häufig mit der Stadt und ihrer Umgebung sowie mit der Landschaft und der Geschichte des Nordschwarzwalds auseinander. Angeregt hat ihn dazu vermutlich sein Nachbar, der Arzt Emil Schüz. Der vielseitig interessierte Mediziner, der sich auch als Reiseschriftsteller beschäftigte, war bekannt mit dem in Bonn lebenden schwäbischen Sagenforscher Anton Birlinger und hatte diesem bei seiner Sammlung „Aus Schwaben“ zugearbeitet. [13] Zudem verfasste er Beiträge zu dessen Zeitschrift „Alemannia“, in der Doll bald ebenfalls publizieren sollte.
Mit dem „Unterhaltungs-Blatt“ des „Calwer Wochenblatts“, einer Beigabe zur Tageszeitung, fand Doll eine Plattform zur Veröffentlichung seiner Lyrik. In dem Blatt, das für den betreffenden Zeitraum bislang als verschollen gilt, erschienen in der Mitte der 1870er-Jahre seine Gedichtzyklen „Sonette aus Calw“, „Sonette vom Schwarzwald“ sowie die „Schwäbischen Balladen“, meist ohne Angabe eines Verfassers. [14] Bald darauf gab er die beiden Sonettzyklen zusätzlich als gesonderte Bändchen heraus, die ohne Angabe von Ort und Jahr erschienen. [15]
In den Sonetten thematisierte er neben der lokalen Geschichte auch aktuelle Entwicklungen, etwa neue Gebäude wie das sogenannte Georgenäum, eine Volksbildungsanstalt mit Vortragssaal und Bibliothek, oder die 1870 erbaute Turnhalle. Immer wieder taucht die Eisenbahn als Motiv in den Dichtungen auf. Doll war als Oberamtmann 1874 selbst bei der Eröffnungsfeier der Nagoldtalbahn von Calw nach Pforzheim dabei, mit dem Sonett „Schienenwege“ aus den „Sonetten aus Calw“ schuf er den beiden Calwer Bahnlinien ein lyrisches Denkmal. [16] In „Kirchlein zu Kentheim“ aus den „Sonetten vom Schwarzwald“ steht die Eisenbahn zusammen mit der Kentheimer Baumwollspinnerei im Kontrast zur romanischen St. Candiduskirche, woraus unter Vermittlung der Natur ein „harmonisch, prächtig“ [17] Bild entsteht.
Ab 1876 erschienen einige von Dolls Dichtungen in der „Schwäbischen Lieder-Chronik“, einer lyrischen Zeitschrift des Stuttgarter Dichters Georg Jäger. Den Kontakt hatte vermutlich Dolls Freund Heinrich Capler von Oedheim genannt Bautz vermittelt, der schon einige Ausgaben zuvor Gedichte unter seinem Pseudonym Heinrich von Ödheim in der „Lieder-Chronik“ veröffentlicht hatte. Den Anfang machten die beiden Sonette „Einst und Jetzt“ und „Schienenwege“ in Ausgabe 8, später fand zudem eine Sagenballade – „Herzogin Judith“ – Eingang in die „Lieder-Chronik“. [18]
Karl Doll als „unermüdlicher Mitarbeiter“ Anton Birlingers …
Doch nicht nur als Lyriker, auch als Sammler volkstümlicher Überlieferungen war Doll in seinen Calwer Jahren sehr umtriebig. So legte er zum Beispiel eine umfangreiche Sagensammlung aus dem Calwer Oberamt an. Dabei kam ihm der Umstand zugute, dass er beruflich mit zahlreichen Schultheißen und Gemeinderäten aus den Amtsorten verkehrte, welche ihm als Gewährsleute dienten.
Die Sammlung publizierte er zwischen 1878 und 1880 in der „Alemannia“. [19] Es handelt sich größtenteils um recht kurze, schlichte Sagen, die in einfacher Sprache im Stile Anton Birlingers oder Ernst Meiers wiedergegeben wurden. Hier und da hat Doll Anmerkungen und Erklärungen hinzugefügt. Dem letzten Teil der Sammlung fügte Birlinger hinzu: „Die folgenden neun Nummern bilden den Schluß der Calwersagen, die mein l. Freund und unermüdlicher Mitarbeiter gewissenhaft selbst an Ort und Stelle gesammelt hat.“ [20]
Hinzu traten Abschriften von Kirchenkonventsprotokollen und Dorfordnungen der Amtsorte sowie eine umfangreiche Sammlung an Hausinschriften, die er ebenfalls in der „Alemannia“ publizierte. Seiner Begeisterung für die lateinische Sprache entsprechend, übersetzte er das Werk des einstigen Zavelsteiner Pfarrers Karl Philipp Friedrich Kurrer (1749–1827) ins Deutsche. Dieser hatte zahlreiche Gedichte in lateinischer Sprache verfasst, darunter ein 73-strophiges Lied über die Verarbeitung von Flachs im Nordschwarzwald. Auch diese Übertragungen erschienen in der „Alemannia“.
Neben den Sonetten schrieb Doll nun auch Sagenballaden. Welche davon bereits im „Unterhaltungs-Blatt“ erschienen, lässt sich leider nicht mehr feststellen. Als Prosavorlagen nutzte er die einschlägigen Sammlungen wie Ernst Meiers „Deutsche Sagen, Sitten oder Gebräuche aus Schwaben“ oder Anton Birlingers „Volksthümliches aus Schwaben“ sowie zum Teil auch seine eigene Sammlung und in geringerem Maße andere Publikationen wie Friedrich Nicks „Stuttgarter Chronik und Sagenbuch“.
… und als Verfasser von Sagenballaden
Die große Zeit der Sagen in Versform war in den 1870er-Jahren eigentlich längst vorüber. Doll nahm gewissermaßen eine Doppelrolle ein: Einerseits hielt er sich an seine lyrischen Vorbilder wie Ludwig Uhland und Gustav Schwab, die zur Zeit der Spätromantik und des Biedermeier vielbeachtete Sagenballaden geschaffen hatten, andererseits orientierte er sich mit seinen nüchternen Prosasagen an Forschern wie Anton Birlinger oder dem 1866 verstorbenen Ernst Meier, denen der unverfälschte Text aus dem „Volksmund“ wichtiger war als die poetische Verklärung. Seine volkskundlichen Arbeiten waren somit ganz im Sinne des vorherrschenden Zeitgeists, die Dichtungen dagegen sind eher als Hommage an die Schwäbische Dichterschule der Spätromantik und des Biedermeier zu sehen.
In seinen 1883 erschienen „Schwäbischen Balladen“ versuchte er beiden Rollen gerecht zu werden, indem er zu jeder der Balladen ausführliche Anmerkungen anfügte. Im Vorwort zu den Anmerkungen führte er seine Grundsätze aus:
„Bei der Behandlung der vorstehenden, größtentheils im Schwarzwald entstandenen Balladen, deren Stoffe vorwiegend der Schwäbischen Sage angehören, ist davon ausgegangen, daß es erste Pflicht des poetischen Darstellers ist, die Sage selbst, ihren eigentlichen Kern, wenn auch poetisch verklärt, unverändert, unentstellt wiederzugeben. Es ist dies eine Forderung der Wahrhaftigkeit, wie der Pietät gegen das Volksgemüth, aus welchem die Sagen entsprungen sind, eine Pflicht, über deren Verletzung der in den Volksgeist eindringende Forscher nicht ohne Grund sich beklagen dürfte.“ [21]
Dementsprechend hat er nicht nur jeweils die Quellen für seine Dichtungen angegeben und auf abweichende Versionen der einzelnen Sagen hingewiesen, er hat auch die meisten inhaltlichen Abänderungen gegenüber der Vorlagen in den Anmerkungen erwähnt.
Beim Ministerium des Innern in der Residenzstadt
Als die „Schwäbischen Balladen“ 1883 bei Kohlhammer erschienen, lebte Karl Doll bereits seit einigen Jahren in Stuttgart. Im Februar des Jahre 1879 hatte er eine Stelle beim Ministerium des Innern erhalten. Die Familie zog zunächst für kurze Zeit in die Gerberstraße, dann 1881 in die Senefelderstraße im Stuttgarter Westen. 1882 wurde Doll zum Oberregierungsrat befördert und mit dem Ritterkreuz I. Klasse des Friedrichs-Ordens ausgezeichnet. [22] Die neue Anstellung ließ ihm offenbar weniger Zeit für Nebenbeschäftigungen, denn volkskundliche Arbeiten hat er von nun an keine mehr geschaffen. Die „Alemannia“ schöpfte jedoch noch einige Jahre aus dem Fundus seiner in Calw angelegten Sammlungen.
Der Lyrik blieb Doll jedoch auch in Stuttgart treu. Neben seinem eigenen Band erschienen im selben Jahr einige seiner Gedichte im „Schwäbischen Dichterbuch“ von Carl Weitbrecht und Eduard Paulus, das beim Verlag Bonz & Co. in Stuttgart herausgegeben wurde. 1884 und 1885 steuerte er zudem einige Dichtungen zum „Schwaben-Kalender“ aus dem Hause Kohlhammer bei. Dieser „belehrende und unterhaltende Kalender für Jung und Alt“ erscheint noch heute alljährlich unter dem Namen „Schwäbischer Heimatkalender“. Er enthielt damals neben praktischen Informationen wie Marktterminen und Kochrezepten sowohl literarische als auch populärwissenschaftliche Beiträge. In der ersten Ausgabe fand sich Dolls Ballade „Herzog Ulrichs Linde“, die zuvor schon in den „Schwäbischen Balladen“ abgedruckt gewesen war. 1885 erschienen dann einige exklusiv für den Kalender angefertigte Stücke „unseres vaterländischen Dichters“ wie die Redaktion ihn bezeichnete. [23] Darunter war ein 18 Strophen umfassendes Lobgedicht auf die württembergische Königin Olga, das neben einem Portrait der Monarchin abgeduckt war. [24]
Als der Ulmer Dichter Gustav Seuffer 1887 die Anthologie „In Ulm, um Ulm und um Ulm rum“ herausgab, war Doll ebenfalls mit einigen Dichtungen mit von der Partie. Neben einigen Stücken aus den „Schwäbischen Balladen“ waren auch drei neue Stücke darunter, etwa „Die liebste Stadt“, eine Lobeshymne auf seine einstige Jugendheimat.
Seit 1885 lebte die Familie in der Schloßstraße 33. Von da an gelangte immer weniger von Dolls Lyrik an die Öffentlichkeit, er beschäftigte sich nun vermehrt mit staatswissenschaftlicher Fachliteratur. So erschien etwa 1886 sein Band „Das Württembergische Gesetz über die Gemeindeordnung vom 16. Juni 1885“, ein über 700 Seiten umfassender Gesetzeskommentar, der den staatlichen Behörden die Arbeit erleichtern sollte.
Im Jahr 1894 wurde er für seine beruflichen Leistungen mit dem Ehrenkreuz des Ordens der Württembergischen Krone ausgezeichnet. [25] Damit ging die Erhebung in den Personaladelsstand einher, er konnte sich folglich fortan Karl von Doll nennen. 1901 schließlich wurde er zum Regierungsdirektor befördert. [26] Neben seinen Tätigkeiten beim Ministerium des Innern gab er Vorlesungen im deutschen und württembergischen Staatsrecht am staatlichen Unterrichtskurs für Verwaltungskandidaten. In diesem Zusammenhang steht das Werk, das er nach der Jahrhundertwende in Angriff genommen hat, und das schließlich 1908 bei Kohlhammer erschien: „Die Staatsrechtlichen Verhältnisse des Deutschen Reichs und des Königreichs Württemberg“. Hierbei handelte es sich um ein Lehrwerk, das sowohl den Prüfungskandidaten zur Vorbereitung als auch „zum Gebrauch für weitere Kreise“ dienen sollte, wie der Untertitel zeigt. [27]
„… ein Sänger des Schwabenlandes“
Schon ein Jahr später trat er in den Ruhestand, mit dem die Beförderung zum Regierungspräsidenten a.D. einherging. Doll zog gemeinsam mit seiner Frau nach Cannstatt, das einige Jahre zuvor nach Stuttgart eingemeindet worden war. Hier verstarb er am Heiligabend des Jahres 1910.
Vier Jahre nach seinem Tod erschien schließlich noch ein zweites großes lyrisches Werk aus seiner Feder. Dieses zeigte einen Aspekt seines Schaffens, der seit der Veröffentlichung der Kurrer-Übertragungen in der „Alemannia“ weitgehend im Verborgenen geblieben war: seine Tätigkeit als Übersetzer lateinischer Lyrik. Doll hatte die vier Bücher der „Oden“ und alle 17 Gedichte der „Epoden“ des berühmten römischen Dichters Horaz ins Deutsche übertragen. Das zugrunde liegende Manuskript hatte er bereits bis ins letzte Detail ausgearbeitet hinterlassen. Der Band erschien 1914 bei C.H. Beck in München und war seinem Freund „Heinrich von Oedheim genannt Bautz, den eleganten Interpreten französischer Liederdichtung“ gewidmet. [28]
Die postumen Würdigungen in Form zweier Nachrufe in der „Schwäbischen Kronik“ und im „Stuttgarter Neuen Tagblatt“ zeichnen das Bild eines konservativen württembergischen Dichters, der in seiner Lyrik weitgehend in Romantik und Biedermeier verhaftet blieb, als Volkskundler jedoch ganz und gar ein Kind seiner Zeit war. Die „Kronik“ schrieb etwa: „Aber der innerlich konservative Mann gewann dem modernen Geist und der modernen Literatur wenig Geschmack ab; sein Geist war oft rückwärts gewendet […]; der Abbruch eines alten, denkwürdigen Hauses, wie der Legionskaserne, das Eingehen einer alten Sitte, das Zurückdrängen der Gartenpoesie an den Bergen hinauf tat ihm wehe.“ [29]Im „Neuen Tagblatt“ war zu lesen: „[…] und wenn er auch nicht mit dem Zeitstrom schwamm und von Naturalismus und Realismus nichts wissen wollte, so war sein Herz dafür desto mehr für alle Bestrebungen aufgeschlossen, die man heute Heimatschutz und Volkskunde nennt. Er widmete seine Gaben seinem geliebten Vaterland; als Beamter ebenso pünktlich und gewissenhaft wie als Dichter und Forscher glücklich, ein Sänger des Schwabenlandes zu sein.“ [30]
Anmerkungen
[1] Brief Karl Doll an Franz Brümmer vom 20. August 1883. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Nachlass Franz Brümmer. Briefe C–F. [zurück]
[2] Schülerverzeichnisse des Gymnasiums von 1847 bis 1859 mit Zeugnislisten. Stadtarchiv Ulm. B 230/00 Nr. 02/07 und Studentenakte Carl Doll. Universitätsarchiv Tübingen. 40/45 Nr. 78. [zurück]
[3] Vgl. Heinrich Münzenmaier: Geschichte der Landsmannschaft Schottland zu Tübingen 1849 bis 1924. Stuttgart 1924. S. 340. [zurück]
[4] Vgl. Hans-Ulrich Frhr. Von Ruepprecht: Geschichte der Landsmannschaft Schottland zu Tübingen 1924 bis 1935. In: Geschichte der Landsmannschaft Schottland im CC zu Tübingen. Zweiter Teil: 1924–1999. Stuttgart 2000, S. 12–73, hier S. 22f. [zurück]
[5] Tübinger Chronik vom 1. August und vom 10. Dezember 1856. [zurück]
[6] Brief Justinus Kerner an Karl Doll vom 14. Januar 1860. Deutsches Literaturarchiv Marbach. Bestand A: Kerner. SNM 27959. Zitiert nach Jiří Hönes: „Tief unten zieht die grüne Nagoldwelle…“ – Karl Doll. Leben und Werk. Sagen und Sonette. Calw 2014. S. 21. [zurück]
[7] Brief Karl Doll an Justinus Kerner vom 15. Januar 1860. Deutsches Literaturarchiv Marbach. SNM KN 831. Zitiert nach Jiří Hönes: „Tief unten zieht die grüne Nagoldwelle…“ – Karl Doll. Leben und Werk. Sagen und Sonette. Calw 2014. S. 21. [zurück]
[8] Brief Eduard Mörike an Karl Doll vom 26. August 1860. DLA Marbach. SNM 27960. Publiziert in: Eduard Mörike: Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe. Im Auftrag des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg und in Zusammenarbeit mit dem Schiller-Nationalmuseum Marbach am Neckar. Band 17: Briefe 1857–1863. Herausgegeben von Regina Cerfontaine und Hans-Ulrich Simon. Stuttgart 2002. S. 115f. [zurück]
[9] Familienregister der evangelischen Kirchengemeinde Marbach am Neckar. Stadtarchiv Marbach am Neckar. [zurück]
[10] Brief Eduard Mörike an Karl Doll vom 8. Mai 1864. DLA Marbach. SNM 27961. Publiziert in: Eduard Mörike: Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe. Im Auftrag des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg und in Zusammenarbeit mit dem Schiller-Nationalmuseum Marbach am Neckar. Band 18: Briefe 1864–1867. Herausgegeben von Regina Cerfontaine und Hans-Ulrich Simon. Stuttgart 2006. S. 28f. [zurück]
[11] Nationalliste des Oberamtmanns Doll in Calw vom 5. Oktober 1877. Staatsarchiv Ludwigsburg. StAL E 1792 II Bü 4013. [zurück]
[12] Ebd. [zurück]
[13] Vgl. Wilhelm Wurm: Nekrolog des Dr. Emil Schüz von Calw. In: Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg. Vierunddreißigster Jahrgang. Stuttgart 1878. S. 43–51, hier S. 48. [zurück]
[14] Brief Karl Doll an Franz Brümmer vom 20. August 1883. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Nachlass Franz Brümmer. Briefe C–F. [zurück]
[15] Die jeweils einzigen bekannten Exemplare beider Bändchen befinden sich in der Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs Marbach. Sie stammen aus dem Nachlass des Ulmer Dichters Gustav Seuffer, mit dem Doll bekannt war. [zurück]
[16] Im Calwer Wochenblatt vom 6. Juni 1874 findet sie die Abschrift eines Toasts Karl Dolls zu diesem Anlass, der sich ebenfalls findet in Jiří Hönes: „Tief unten zieht die grüne Nagoldwelle…“ – Karl Doll. Leben und Werk. Sagen und Sonette. Calw 2014. S. 34. [zurück]
[17] Karl Doll: Sonette vom Schwarzwald. O.O. o.J. S. 19. [zurück]
[18] Georg Jäger (Hrsg.): Schwäbische Lieder-Chronik. Verlag der Lieder-Chronik. Stuttgart. 1875–1885. [zurück]
[19] Anton Birlinger (Hrsg.): Alemannia. Zeitschrift für Sprache, Litteratur und Volkskunde des Elsasses, Oberrheins und Schwabens. Bonn. Jahrgang 6 (1878), S. 161–166, Jahrgang 7 (1879). S. 144–158 und Jahrgang 8 (1880), S. 117–119 und 277–278. Online verfügbar bei Wikisource. [zurück]
[20] Ebd. Jahrgang 8 (1880). S. 117. Online verfügbar bei Wikisource. [zurück]
[21] Karl Doll: Schwäbische Balladen. Stuttgart 1883. S. 245. Online verfügbar bei Internet Archive. [zurück]
[22] Vgl. Wolfram Angerbauer: Die Amtsvorsteher der Oberämter, Bezirksämter und Landratsämter in Baden-Württemberg 1810–1972. Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft der Kreisarchive beim Landkreistag Baden-Württemberg. Stuttgart 1996. S. 223. [zurück]
[23] Schwaben-Kalender. Ein belehrender und unterhaltender Kalender für Alt und Jung auf das Jahr 1884. Stuttgart. Vordere Umschlagrückseite. [zurück]
[24] Ebd. [zurück]
[25] Vgl. Hof- und Staats-Handbuch des Königreichs Württemberg 1894. Stuttgart 1894. S. 32. [zurück]
[26] Vgl. Wolfram Angerbauer: Die Amtsvorsteher der Oberämter, Bezirksämter und Landratsämter in Baden-Württemberg 1810–1972. Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft der Kreisarchive beim Landkreistag Baden-Württemberg. Stuttgart 1996. S. 223. [zurück]
[27] Vgl. Karl v. Doll: Die Staatsrechtlichen Verhältnisse des Deutschen Reichs und des Königreichs Württemberg. Stuttgart 1908. S. III. [zurück]
[28] Horaz: Lyrische Gedichte. Oden und Epoden. Unter Anlehnung an die antiken Versformen übertragen von Karl Doll. München 1914. S. III. [zurück]
[29] Schwäbische Kronik vom 29. Dezember 1910. [zurück]
[30] [Stuttgarter] Neues Tagblatt vom 30. Dezember 1910. [zurück]